Die Stadt Riedlingen will in den sozialen Wohnungsbau einsteigen. Sie hat in der Eichenau ein Gelände gekauft, dort könnten nach ersten Planungen, Wohnungen für Flüchtlinge entstehen. Auf der Klinge II (Felix-Han-Straße) sind Häuser zur Unterbringung von Obdachlosen angedacht. Auch günstigen Wohnraum für Sozialschwache will die Stadt schaffen. Diese Pläne riefen im Gemeinderat eine kontroverse Diskussion hervor. Kritisiert wurde, dass Häuser für Flüchtlinge geplant werden, ohne dass derzeit die Notwendigkeit besteht. Letztlich stimmte der Rat mehrheitlich dafür, dass sich die Verwaltung Angebote einholen und eine Konzeption erstellen kann.
Schafft betonte, dass für alle drei Gruppen Bedarf absehbar ist. Aber er will die Gruppen nicht konzentrieren, sondern in der Stadt verteilen: „Wir wollen die Gruppen nicht miteinander konfrontieren“. Konkret könnten auf dem Gelände des Geflügelhofs, das die Stadt gekauft hat, nach ersten Skizzen neun Gebäude mit mehreren Wohnungen für Flüchtlinge entstehen – sei es in der „Anschlussunterbringung“ (siehe Hintergrund) oder in Teilbelegung für die Erstunterbringung durch den Kreis.
Auch wenn laut aktuellem Schlüssel des Kreises die Stadt keine Anschlussunterbringung vornehmen muss, will sich die Verwaltung „vorausschauend“ mit dem Thema beschäftigen, um für den Fall der Fälle bereits einen Plan in der Tasche zu haben. Denn auch so ein Prozess braucht Vorlauf. Die Stadt denkt auch an eine Zusammenarbeit mit Investoren oder mit dem Landkreis. Wie genau ein Modell aussehen könnte, muss erst noch ausgearbeitet werden.
Schafft erbat sich daher das grüne Licht vom Gemeinderat, Planungen mit Zahlen und Angeboten zu hinterlegen. Doch das kam nicht bei allen Gemeinderäten gut an. Es gab folgende Kritikpunkte:
Jörg Boßler (CDU) sprach von „vorauseilendem Gehorsam“. Dorothea Kraus-Kieferle (WiR) sah keine Notwendigkeit, diese Planungen überhaupt voranzutreiben. Die Stadt hat deutlich mehr Flüchtlinge aufgenommen als andere Kommunen. Manche hätten noch gar keine untergebracht, von daher sieht sie noch genügend Zeit, erst mal andere Wege auszuloten, bevor man sich mit Neubauten beschäftigt. Zudem sei unklar, ob überhaupt Bedarf besteht: Denn ob die Flüchtlinge in Riedlingen bleiben, wenn sie aus der Erstunterbringung kommen, ist nicht sicher. Viele wandern in größere Städte ab. Doch Schafft betonte: „Es geht doch erst mal darum mit Planungen anzufangen. Pfeifen im Wald ist doch keine Strategie.“
Bei weiterer Aufnahme von Flüchtlingen sieht sie den „sozialen Frieden“ in Riedlingen gefährdet: „Die Leute haben Angst.“ Das wiederum brachte ihr Kritik von Ratskollegin Gudrun Vogel (Mtg!) ein: Sie sei erschrocken über manche Äußerung im Rat. Jörg Boßler sieht die Gefahr der „Zusammenballung“, dass Brennpunkte geschaffen werden, wenn zu viele Menschen an einer Stelle untergebracht werden. Auch Thomas Günzel (CDU) wandte sich dagegen, dass das Spieker-Gelände als Standort für Flüchtlingsunterkünfte in Betracht gezogen wird. Die Eichenau habe schon etliche Flüchtlinge. Statt dessen soll die Fläche für Wohnbebauung genutzt werden. Er brachte statt dessen die Fläche des alten Bauhofs in der Kastanienallee als geeignet für Unterkünfte in Spiel. Dies griff die Verwaltung als Vorschlag auf.
Die Gemeinderäte beklagen, dass Riedlingen unverhältnismäßig stark mit der Aufnahme der Flüchtlinge belastet sei, während andere Gemeinden im Kreis deutlich weniger Flüchtlinge aufgenommen hätten. Hier wollten die Räte mehr Gleichbehandlung: „Diese Solidarität fordere ich ein“, so Boßler. Aber auch die Solidarität der Teilorte. Denn bislang leben die Flüchtlinge nur in der Kernstadt.
Dorothea Kraus-Kieferle kritisierte vor allem, dass das Potenzial an vorhandenen Wohnungen erst ausgeschöpft werden sollte, bevor Neubauten erstellt werden. So schlug sie vor, im Mitteilungsblatt einen Aufruf zu veröffentlichen, wer freien Wohnraum zur Verfügung stellen kann. Auch die Ortsvorsteher wollte sie stärker in der Pflicht sehen, dass in den Teilorten abgefragt wird, wo freie Wohnungen sind. Auch die Instandsetzung von sanierungsbedürftigen Häusern in der Innenstadt oder in den Teilorten schlug sie vor. Schafft nahm diesen Vorschlag auf, dem dann auch vom Rat zugestimmt wurde.
Kritik kam vom Rat an der wenig aussagefähigen Vorlage: „Wie sollen wir entscheiden ohne Zahlen, ohne Kosten“, beklagte Werner Blank. Allerdings wurde entgegengehalten, dass es derzeit keine verlässlichen Zahlen gebe. Auch wenn nicht öffentlich angesprochen, wurde von Räten die wenig transparente Vorgehensweise der Stadt beim Kauf des Geländes in der Eichenau und den folgenden Planungen kritisiert. So hat sich Schafft etwa bei der Podiumsdiskussion im Kino, als er konkret darauf angesprochen wurde, sehr bedeckt gehalten.
Die Mehrheit des Rats ( bei zehn Gegenstimmen) hat zugestimmt, die Planungen voranzutreiben.
Für die Erstunterbringung von Flüchtlingen sind die Landkreise zuständig, die auch die Kosten dafür tragen. Die Unterbringung erfolgt häufig in Gemeinschaftsunterkünften. Nach spätestens zwei Jahren werden die Flüchtlinge in eine Anschlussunterbringung überführt, sofern sie nicht eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt gefunden haben: Das heißt sie müssen aus den Unterkünften ausziehen und werden den Gemeinden zugeteilt, die organisatorisch nun für die Unterbringung zuständig sind.
Da in Riedlingen relativ viele Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften leben, ist die Stadt derzeit von der Pflicht zur Anschlussunterbringung befreit. Aber dies kann sich jederzeit wieder ändern, angesichts der anhaltend hohen Flüchtlingszahlen.
Die Stadt ist zudem verpflichtet in Notfällen, wenn Menschen Obdachlosigkeit droht, diesen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Dies ist zeitlich beschränkt (Anhaltspunkt: max. sechs Monate). Danach ist der Kreis zuständig. (uno)
Wer eine Wohnung für Flüchtlinge zur Verfügung stellen kann, kann sich bei der Stadt Riedlingen melden, Telefon: 07371/183-0.
Unterschrift Foto: Dies sind die ersten Planungen für Sozialwohnungen im Bereich der Eichenau: Zwischen Veringerstraße, Schwabenstraße und rückseitig zur dortigen Kirche könnten die Wohnungen entstehen. Bild: Stadt Riedlingen