Biberach sz
Professor Philipp Ther hat in der Stadtbücherei aus seinem neuen Buch „Die Außenseiter – Flucht, Flüchtlinge und Integration“ gelesen und sich einer Debatte gestellt. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Gerster moderierte.
Diskutiert haben Martina Eisele, Integrationsbeauftragte der Stadt Biberach, Thomas Fettback, Biberacher Ex-Oberbürgermeister, und eben Philipp Ther.
Ther schildert in seinem BuchFlüchtlingsschicksalen bis zurück in der Hugenottenzeit. Vom Autor Joseph Roth zeigt er ein Beispiel aus dem Berlin der 1920er-Jahre. Der Autor schilderte mit dichterischer Sprachmacht die katastrophalen Verhältnisse im Scheunenviertel mit Hunderten aus dem Osten geflüchteter Juden. In Wien um 1920, so Ther, der an der Uni Wien als Professor für Geschichte Ostmitteleuropas lehrt, war die Situation nicht besser. Diese Flüchtlingsströme, so der Autor, waren wiederum ein „Rinnsal“ im Vergleich zu dem, was aufgrund des Nationalsozialismus und des zweiten Weltkriegs folgte. Deutschland musste etwa zwölf Millionen Flüchtlinge aufnehmen.
Er hat sein Buch in vier große Kapitel gegliedert, die er jeweils mit historischen Beispielen unterlegt. Kapitel eins befasst sich mit religiösen Konflikten und Glaubensflüchtlingen. Kapitel zwei gilt der Flucht vor dem Nationalsozialismus und ethnischen Säuberungen, dann noch der Abschnitt über politische Flüchtlinge und schließlich als letztes Thema historische Integrationsverläufe und Integrationsängste. In der anschließenden Debatte wurde das Thema unter unterschiedlichsten Aspekten beleuchtet und diskutiert. So haben die Flüchtlinge nach Ende des zweiten Weltkrieges sehr schnell zum allgemeinen Wohlstand und zum Wirtschaftswunder beigetragen, das sei nicht vergleichbar mit der Herkunft der heutigen Flüchtlinge. Martin Gerster zitiert dazu Volker Kauders Empfehlung, vor allem christliche Flüchtlinge aufzunehmen.
Ausführlich diskutiert wurde die Solidarität der Bevölkerung und der Einsatz ehrenamtlicher Kräfte bei der Unterstützung der heutigen Flüchtlinge. Etwa ein Sechstel der Bevölkerung beteilige sich an deren Unterstützung. Angst und Bedenken werden angesprochen. Martina Eisele betont das Selbstverständnis von Biberach als „traditionell weltoffen.“
Sprache ist wichtig
Die Bedeutung des Erlernens der deutschen Sprache war bei allen Diskussionsteinehmern ein weiterer zentraler Punkt. Und es wurde deutlich, dass es wohl einige Generationen dauern dürfte, bis die Integration als vollzogen gelten kann. Thomas Fettback spricht Notwendigkeiten an, um die Mammutaufgabe Integration erfüllen zu können. Zum einen kostet das viel Geld, die „wichtigste Kraft“, um etwas zu bewegen. Weiter spricht er über den Zuzug von Fachkräften, besonders wichtig in einer Stadt mit mehreren Weltfirmen. Aber, so Fettback weiter, eine „Willkommenskultur“ habe es nie gegeben. Das muss erst die Mehrheitsgesellschaft so wollen; bis heute sei das nicht der Fall. Fettback mit Nachdruck: „Man geht schändlich mit den Flüchtlingen und denen, die sich kümmern, um. Das Ehrenamt sieht er skeptisch „auf Null“ gehen, hier sind „Erschöpfungen“ eingetreten. Und immer wieder die Sprache als unabdingbare Voraussetzung für Integration, dazu ein entsprechender Schulabschluss.
Fazit der Diskutanten: Schnell geht bei der Integration gar nichts und Patentrezepte gibt es auch nicht. Ein Gewerkschafter aus dem Publikum drückte es präzise aus, dass Ängste beseitigt werden müssten. Dafür sei aber Voraussetzung, dass soziale Schieflagen wieder in Ordnung zu bringen seien. Er forderte ein verbesserte Sozialgesetzgebung.
Unterschrift Foto: Philipp Ther auf dem Podium mit Thomas Fettback, Martina Eisele und Martin Gerster (von links). Bild: Günter Vogel, ©Schwäbische Zeitung