Aulendorf sz
Wo fängt Diskriminierung an, was ist Rechtspopulismus, und welche Argumentationsstrategien gibt es, um fremdenfeindlichen Parolen etwas entgegenzuhalten? Mit diesen Fragen haben sich die 15 Teilnehmer des Seminars „Kompetent gegen rechte Sprüche“ der Landeszentrale für politische Bildung am vergangenen Samstag im katholischen Gemeindehaus in Aulendorf auseinandergesetzt.
Um einen großen Tisch sitzen sieben Vereinsmitglieder und diskutieren über den Flüchtling, der neuerdings im Fußballclub mitspielt. Schnell landet die Gruppe allgemein bei der Flüchtlingspolitik, und es wird hitzig. Es werden Ängste geäußert, Klischees bedient, Gerüchte gestreut und pauschalisierende Behauptungen in den Raum gestellt: „Die schaffen nix und wollen nur unser Geld“, „Das sind doch alles Terroristen“, „Die können das mit der Pünktlichkeit von der Mentalität her nicht“. Erst meint das hier niemand, das Rollenspiel ist Teil des Workshops, die Positionen wurden vorher verteilt: drei Parolenschwinger, zwei Verteidiger und zwei schweigende Vereinsmitglieder haben sich im imaginären Vereinsheim eingefunden.
So künstlich die Situation geschaffen ist, so gut kennen manche Teilnehmer die Sprüche aus dem eigenen Arbeits-, Bekannten- oder familiären Umfeld. „Ich habe jeden Tag die Gelegenheit, die Argumentationsstrategien zu testen“, sagt etwa Nicole Mayer, und Teilnehmerin Madelaine Pfleiderer ergänzt, sie sei zwar selbst noch nicht mit rechten Sprüchen konfrontiert worden, kenne sie aber aus den Erzählungen der Aulendorfer Flüchtlinge. Beide loben die Kursleiter, der Workshop sei sehr gut.
An dem Seminartag üben die Teilnehmer, wie sie auf rechtspopulistische Sprüche reagieren können, gerade auch dann, wenn die Parolenschwinger laut werden und sich einig sind. Konkrete Argumente liefert der Workshop dabei nicht. „Grammatik statt Vokabular“, nennt Seminarleiterin Zarin Aschrafi die Argumentationsstrategien, die sie zusammen mit ihrem Kollegen Andreas Hässler nach und nach an die Stellwand im Tagungsraum pinnt. Das Gegenüber nach eigenen Vorstellungen zu fragen, wie Probleme angegangen werden können, lautet etwa ein Tipp. Oder mit Rückfragen zum Nachdenken anzuregen: „Wirklich alle? Woran machst du das fest?“ Eigene Erfahrungen gegen Pauschalisierungen vorzubringen und damit ein differenzierteres Bild der Situation aufzuzeigen, ist eine weitere Strategie – und sich Verbündete suchen. Es helfe auch, auf das Einhalten von Gesprächsregeln zu bestehen, etwa wenn Parolenschwinger einen nicht ausreden ließen: „So reden wir hier nicht miteinander.“ Und falls alle Stricke reißen: die Diskussion abbrechen. Dann allerdings sei es wichtig, zu benennen, weshalb. Auch selbst Themen zu setzen, raten die Experten, etwa die eigene Vision von einem gelungenen gesellschaftlichen Zusammenleben zu beschreiben.
Organisiert hat das Seminar Sonja Hummel, die Integrationsbeauftragte der Stadt Aulendorf. Die Frage, ob Aulendorf einen solchen Workshop denn besonders nötig habe, verneint Hummel. Sie habe den Workshop eher zufällig im Programm der LpB entdeckt, es dem Helferkreis Asyl vorgeschlagen und weitere Teilnehmer aus dem Umfeld von Helferkreisen gesucht, bis der Kurs voll war. Letztlich kamen Teilnehmer auch aus Bad Wurzach, Ravensburg und Fronhofen. „Ich glaube“, zieht Hummel ihr Fazit zu den Argumentationshilfen von der Stellwand, „das ist etwas, was man sich an den Badezimmerspiegel hängen und beim Zähneputzen immer wieder durchlesen kann.“
Ein Foto der Stellwand mit den Argumentations- und Handlungsstrategien gibt es unter www.schwaebische.de/kompetent-gegen-parolen
Unterschrift Foto: In einem Rollenspiel stellten die Teilnehmer eine Stammtisch-Diskussion nach, in der islamfeindliche Parolen geschwungen und Gegenargumentationen erprobt wurden. Bild: Paulina Stumm, ©Schwäbische Zeitung