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    In weiten Teilen hochemotional ist die Podiumsdiskussion vor rund 200 Gästen zum Thema Bleiberecht für Geflüchtete in Arbeit am Donnerstag im Stadtforum Bad Saulgau verlaufen.

    Bad Saulgau, 10.01.2020 (Anita Metzler-Mikuteit, ©Anita Metzler-Mikuteit)

    In weiten Teilen hochemotional ist die Podiumsdiskussion vor rund 200 Gästen zum Thema Bleiberecht für Geflüchtete in Arbeit am Donnerstag im Stadtforum Bad Saulgau verlaufen. Zahlreiche Gäste – darunter Firmeninhaber aus ganz Baden-Württemberg – sind der Einladung der Unternehmer-Initiative nach Bad Saulgau gefolgt und brachten ihre Enttäuschung über die politischen Vorgehensweisen und Entscheidungen unmissverständlich zum Ausdruck.

    Wie von der Politik zunächst gefordert, haben zahlreiche Unternehmer in den vergangenen Jahren unermüdlich Integrationsarbeit für Geflüchtete geleistet, haben sie aus Asylheimen in ihre Unternehmen geholt, sich engagiert und investiert. „Dann wurde es unbequem und unpopulär“, sagte Markus Winter, Gründungsmitglied der bundesweit agierenden Unternehmer-Initiative. Das Engagement der Unternehmen, aber auch von Helferkreisen oder Vereinen wurde nicht nur „unpopulär“. Vielmehr gab es zunehmend Abschiebungen, die die Unternehmer fassungslos und wütend zurückgelassen haben. Fest angestellte, gut integrierte und zwischenzeitlich unverzichtbare Mitarbeiter und Auszubildende wurden mitten in der Nacht aus ihren Betten gerissen, aus den Berufsschulen und Betriebsküchen geholt und in ihre Heimatländer abgeschoben.

    Warten auf vernünftiges Gesetz

    So war es auch beim Gastronomen Manfred Hölzl aus Konstanz. Über die Abschiebung seines Mitarbeiters Lukmann Lawall aus Nigeria ist er noch heute sichtlich schockiert. „Wir warten seit Jahren auf ein vernünftiges Einwanderungsgesetz“, sagte der Podiumsteilnehmer, „wir brauchen den Zuzug, jetzt entziehen sie uns genau die Menschen, die wir brauchen“.

    Schwester Maria Schneiderhan vom Kloster Sießen ist voll des Lobes über die Geflüchteten in Ausbildung auf dem Klosterberg. Machte aber im selben Zuge keinen Hehl daraus, dass die Zukunft von Mamadou Dirassi aus Gambia, der aktuell eine Ausbildung zum Bäcker macht, alles andere als sicher ist. Das bringt auch Antje von Dewitz richtiggehend auf die Palme. „Integration ist wirklich kein Spaziergang“, sagte die Vaude-Geschäftsführerin und erinnerte an den eklatanten Mitarbeitermangel in nahezu allen Bereichen. Es kam, so von Dewitz, sogar zu Selbstmordversuchen aus Angst vor Abschiebungen. „Wir stecken da verdammt viel Zeit rein“, fuhr sie fort und machte deutlich, dass „wir Unternehmer mitgestalten wollen, sodass die Wirtschaft im Ländle floriert“.

    „Sie stehen alle zurecht auf der Matte“, konterte Andreas Schwarz, Franktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im baden-württembergischen Landtag, und thematisierte die im Koalitionsausschuss vereinbarte Bundesratsinitiative für eine bessere Bleibeperspektive von Geduldeten und Geflüchteten in Arbeit.

    Dann folgte eine Aussage, die viele im Publikum fein säuberlich in ihren Notizblock schrieben. „Wir sorgen dafür, dass es keine Abschiebungen mehr von gut integrierten geflüchteten Menschen in Arbeit geben wird“, sagte Schwarz. Dies habe Innenminister Thomas Strobl fest zugesagt. Falls es doch dazu kommen sollte, riet er dazu, dies „sofort bei den zuständigen Abgeordneten zu melden“. An dieser Stelle ging abermals ein kritisches Murren durch das Publikum.

    Schwierige Rechtslage

    Keinen leichten Stand hatte auch der CDU-Landtagsabgeordnete Raimund Haser. Etwa, als Moderator Gottfried Härle Ausschnitte aus einem Interview der „Schwäbischen Zeitung“ mit Kultusministerin Susanne Eisenmann zitierte, in dem die Spitzenkandidatin für die baden-württembergischen Landtagswahlen unter anderem bestätigte, dass Geflüchtete in Arbeit, die „dabei mitwirken, ihre Identität zu belegen derzeit wegen ihres Pflichtbewusstseins die Dummen sind“, weil sie so leichter abgeschoben werden können. Haser verwies mehrmals darauf, dass „Ausländerrecht Bundesrecht ist“ und hob die „Barmherzigkeit der Unternehmer“ hervor. Das kam nicht gut an. „Es geht hier nicht um Barmherzigkeit“, sagte Antje von Dewitz aufgebracht. Vielmehr gehe es um Planbarkeit und Rechtssicherheit für die Betriebe. Raimund Kegel von der Handwerkskammer Konstanz thematisierte unter anderem die verworrene und schwierige Rechtslage. „Da muss man schon gut ausgeschlafen sein, um das alles zu verstehen“.

    Nicht weniger emotional waren die anschließenden Diskussionen mit dem Publikum. Andreas Höschele vom Hotel/Gasthof Grüner Baum in Biberach ließ seinem Unmut ebenfalls freien Lauf, erzählte von haarsträubenden Vorkommnissen in seinem Betrieb. Von vorbildlich integrierten Mitarbeitern etwa, die in Sportvereinen Hochleistungen brachten und denen es verboten wurde, ihren Wohnort zu verlassen. „Wie verrückt ist das?“, sagte er aufgewühlt, Manfred Hölzl erinnerte an die bevorstehenden Bundestags- und Landtagswahlen 2021 und warf die Frage auf, „wo der Mittelstand politisch hin soll“? Auch nach Abschluss der Veranstaltung wurde noch lange intensiv weiter diskutiert.

    Unterschrift Foto: Unternehmer bringen Enttäuschung zum Ausdruck Bild: Anita Metzler-Mikuteit, ©Anita Metzler-Mikuteit