Sie lernen gemeinsam die deutsche Sprache und sind aus Afghanistan, Tunesien und aus EU-Ländern in Osteuropa – letztere stellen den Großteil der Einwanderer, die derzeit nach Laupheim kommen. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) haben diese Menschen keinen gesetzlichen Anspruch auf die Teilnahme an einem Integrationskurs. Zugelassen werden können sie dennoch – viele Einwanderer aus Kroatien, Polen und Rumänien nutzen diese Möglichkeit.
Mittwochmorgen, halb neun. Nach und nach kommen die insgesamt 18 Teilnehmer des Integrationskurses in den hellen Raum, der sich nicht von einem Klassenzimmer unterscheidet: vorne eine Tafel, die Tische in Form eines Hufeisens angeordnet, an den Wänden Poster mit Wortgruppen und Deklinationstabellen. Manuela Felbermayer de Garzon grüßt die Teilnehmer, spricht sie mit Vornamen an, bleibt ansonsten aber beim „Sie“. Die gebürtige Karlsruherin ist Leiterin des Integrationskurses. Das Thema der heutigen Unterrichtseinheit: Feste und Feiern.
Was kennen Sie für Feste?“, fragt Felbermayer de Garzon in die Runde. Jedes Wort artikuliert sie klar und deutlich, häufig gestikuliert sie mit den Armen. „Osterfest“, sagt Wakil, ein junger Afghane, der seit neun Monaten mit seiner Frau in Deutschland lebt. Sie nimmt ebenfalls am Integrationskurs teil. Die Liste an der Tafel wird immer länger: Hochzeitsfest, Oktoberfest, Karneval, Heimatfest, Zuckerfest, Weihnachten rufen die Teilnehmer der Kursleiterin zu. „Weihnachten steht ohne Artikel“, erklärt Felbermayer de Garzon. „Aber zum zusammengesetzten Wort ,Weihnachtsfest’ gehört ein ,das’.“ Ihre Schüler machen sich Notizen.
Arbeitsmigration aus Osteuropa
Felbermayer de Garzon erinnert sich noch an 2015: Damals setzte sich ihr Kurs hauptsächlich aus Kriegsflüchtlingen zusammen. „Heute hingegen unterrichte ich viele Menschen, die aus EU-Ländern in Osteuropa kommen“, erzählt sie.
Diese Entwicklung bestätigt auch Erna Fischbach, Integrationsbeauftragte der Stadt Laupheim: „Die Zahl der Flüchtlinge ist stark zurückgegangen. Aktuell verzeichnen wir einen starken Zuzug durch Arbeitsmigration.“ Viele Menschen würden von ihrem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union Gebrauch machen. Laut aktuellsten Zahlen des Statistischen Landesamts leben im Landkreis Biberach rund 21 000 Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Davon sind knapp 3200 Flüchtlinge, erklärt Bernd Schwarzendorfer, Sprecher des Landkreises, auf Anfrage der SZ.
Für die Wirtschaft ist die Arbeitsmigration von großer Bedeutung: „Die Unternehmen brauchen qualifizierte Fachkräfte mit internationalen Wurzeln“, sagt Martina Doleghs, Leiterin des Fachbereichs Bildung und Fachkräfte bei der IHK Ulm. Auch Arbeitskräfte außerhalb der EU seien gefragt. „Und vor allem ist entscheidend, dass wir auch das Potenzial der Menschen nutzen, die bereits in Deutschland leben.“
Wen sie unterrichtet, das spielt für Manuela Felbermayer de Garzon keine Rolle: „Vom Menschlichen her ist es mir vollkommen egal, ob jemand aus Syrien oder aus Osteuropa kommt.“ In der Praxis sei es für Migranten, die mit einem anderen Schriftsystem aufgewachsen sind, häufig schwieriger, die lateinische Schrift zu lernen. „Aber auch das klappt“, betont die Deutschlehrerin. Der Integrationskurs setzt sich aus zwei Teilen zusammen: aus einem Sprachkurs und einem Orientierungskurs, in dem Wissen über die deutsche Rechtsordnung, Geschichte und Kultur vermittelt wird. „Den Sprachkurs schließen die Teilnehmer mit dem Deutsch-Test für Zuwanderer ab.“
Ein Fest im Rathaus
Gruppenarbeit: Wakil aus Afghanistan, Amara aus Tunesien und Ivana und Antonia aus Kroatien sollen ein fiktives Fest für die Kursteilnehmer planen und ein Plakat gestalten. „Wo soll das Fest stattfinden?“, fragt Amara. Er ist 35 Jahre alt, seit neun Monaten in Deutschland und hat zuvor in Italien gelebt. Aktuell arbeitet er bei einer Firma in Laupheim. „Vielleicht können wir im Rathaus feiern“, sagt Wakil und lacht. „Ich frage den Bürgermeister.“ Gemeinsam planen die Vier das Essen, die Musik und kalkulieren die Kosten. Ivana notiert sich alles auf ihrem Block, anschließend schreiben die Gruppenmitglieder die Informationen mit Filzstiften auf das Plakat. Und dann stellen sie den anderen Kursteilnehmern ihr Konzept vor, die sich ebenfalls in Gruppen eigene Konzepte überlegt haben: darunter ein Rosenfest, ein Sommerfest und ein Picknick.
„Ich freue mich immer wieder darüber, wie harmonisch es hier zugeht“, erzählt Felbermayer de Garzon. Dass sich alle Kursteilnehmer verstehen, sei nicht selbstverständlich. „Viele gehören zu Bevölkerungsgruppen, die in ihrer Heimat verfeindet sind – beispielsweise Iraner und Kurden.“ Im Kurs würden die Feindbilder verwischen. Mehr gesellschaftliche Anerkennung für Integrationskurse, das erhofft sich die Kursleiterin für die Zukunft. Offenheit der Einheimischen sei gefragt: „Viele Teilnehmer wünschen sich Leute, mit denen sie sich auch außerhalb des Sprachkurses unterhalten können.“
Unterschrift Foto: 18 Menschen aus aller Herren Länder nehmen am Integrationskurs teil. Bild: Christoph Dierking, ©Schwäbische Zeitung