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    Der Attenweiler Rektor Karl-Josef Strohm klagt über mangelnde Unterstützung des Landes

    Oggelsbeuren, 06.10.2016 (Markus Dreher, ©Schwäbische Zeitung)

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    Die kleine Grundschule in Attenweiler hat in diesem noch frischen Schuljahr eine neue Aufgabe zu bewältigen: Unter den 70 Schulkindern sind seit wenigen Wochen fünf Flüchtlingskinder. In seinem alljährlichen Bericht im Gemeinderat ließ Rektor Karl-Josef Strohm leise Kritik am Land über mangelnde Unterstützung bei der Integration anklingen. Er warb um ehrenamtliche Helfer, die nachmittags mit den kleinen Flüchtlingen Zeit verbringen: „Die Kinder hätten es verdient, dass man ihnen einen guten Start ermöglicht.“

    Insgesamt äußerte sich Strohm zufrieden: Die Räume und die Ausstattung der Schule seien gut, die Zusammenarbeit mit den Eltern und mit der Gemeinde „ganz toll“. Bei der Ausstattung profitiert die Schule davon, dass sie Standort für Kurse der Hector-Akademie für begabte und besonders motivierte Kinder aus der gesamten Region ist; nach den Herbstferien beginnen 15 neue Kurse und die Materialien und Geräte bleiben danach wie immer an der Schule.

    Bürgermeisterin Monika Brobeil gab das Lob zurück: „Es ist gut zu wissen, dass die Schule in so guten und engagierten Händen ist.“ Das von der Gemeinde organisierte Betreuungsangebot vor und nach dem Unterricht besuchen momentan 15Kinder; die Flüchtlingskinder sollen möglichst in die Betreuung integriert werden.

    Für die Eingliederung dieser in Oggelsbeuren lebenden Erst- und Zweitklässler aus Nigeria, Syrien und Irak würde sich Strohm mehr Unterstützung wünschen. Das liege nicht an den Kindern, betonte er: „Sie sind willig und kommen gerne.“ Auf Fragen aus der Ratsrunde sagte er, dass sich die Kinder beim Sprechen schwertun, während sie vermutlich viel verstünden. Freilich verlange ihnen dies Konzentration ab „und wenn sie nicht mehr folgen können, stören sie“. Jedoch lernten Kinder schnell. Wichtiger ist aus seiner Sicht, dass die Flüchtlinge die Struktur mit Schultaschen, Heften und Ordnern nicht gewöhnt seien und niemand zu Hause schaue, ob sie die Hausaufgaben machen. Die Sozialarbeiter in Oggelsbeuren könnten das nicht leisten; ein Kind ist ohne Eltern im Land.

    Strohm folgerte: „Wenn ihnen über längere Zeit niemand hilft, dann funktioniert’s nicht.“ Idealerweise sollte das Land Lehrerwochenstunden bereitstellen, damit sich ein Pädagoge mal zu einem jungen Flüchtling hinsetzen könne. „Ich habe dem Schulamt öfters gesagt, wir sollten jemanden haben. Aber die lassen uns alleine“, sagte der Rektor an die Adresse des Landes. Auf Nachfrage erläuterte Strohm, dass das Land alle zusätzlichen Deputate in die Deutsch-Vorbereitungsklassen (VKL) stecke. „Es bleibt nichts für die anderen Schulen, die sie danach integrieren sollen“, sagte Strohm zur „Schwäbischen Zeitung“ – sprich: in die Regelklassen aufnehmen sollen.

    Kleinere Vorbereitungsklassen am Ort wären ideal

    Zwei der drei Erstklässler unter den Flüchtlingen gingen vorher hier in den Kindergarten. Ein Erstklässler und die beiden Zweitklässler haben vorher eine VKL in Oberstadion besucht. Das hält Strohm für gut, aber „noch besser wäre in meinen Augen gewesen, wenn sie von Anfang an bei uns gewesen wären“ und sich hier hätten eingewöhnen können. Das wäre freilich nur gegangen, wenn das Land auch sehr kleine VKL finanzierte; selbst die VKL in Oberstadion existiert inzwischen nicht mehr, weil die Mindestgröße von zehn Kindern unterschritten wird. Ein Kind hätte daher nach Biberach in die VKL gehen müssen, aber der Weg von Oggelsbeuren dorthin wäre ihm allein nach übereinstimmender Ansicht aller Experten nicht zumutbar.

    Unabhängig davon wichtig, aber aufgrund der tatsächlichen Ressourcenverteilung durchs Land umso wichtiger wäre für Strohm eine ehrenamtliche Unterstützung am Nachmittag: „Die Kinder bräuchten dringend jemanden, der etwas mit ihnen macht.“ Es gehe um Zuwendung, um Sprechen, Spielen, Vorlesen, auch um Vertrauen. „Ich habe die Geschichten von allen fünf erfahren, da kommen Ihnen die Tränen“, sagte Strohm. „Die Kinder können nichts dafür.“ Ideal wären Paten, die die Kinder mal mit in die Familie nehmen, sagte er zu einer Idee des Ortsvorstehers Ernst Bammert. Aber auch jeder, der nur stundenweise oder an einzelnen Nachmittagen etwas mit ihnen unternimmt, leiste einen wertvollen Beitrag.

    Zusatzinformationen I: Die Schule in Zahlen

    70 Schüler besuchen die Grundschule Attenweiler. Die Klassen 1, 3 und 4 haben jeweils 16 Schüler, die Klasse 2 besuchen 22 Kinder. Von allen Schülern kommen 38 aus dem Hauptort Attenweiler. Die anderen kommen mit dem Bus, davon 21 aus Oggelsbeuren, sechs aus Rupertshofen und vier aus den Weilern. Ein Sonderfall ist ein Kind aus Alberweiler, also von außerhalb des Schulbezirks.

    Außer dem Rektor unterrichten vier Lehrerinnen an der Schule, zwei Pfarrer geben Religionsunterricht. 45 Kinder sind katholisch, elf evangelisch, zwei muslimisch und die anderen konfessionslos. Es sind 36 Mädchen und 34 Buben, berichtete Rektor Karl-Josef Strohm.

    Zusatzinformationen II: „Sozialkompetenz nimmt ab“

    Rektor Karl-Josef Strohm hat in seinem Bericht im Gemeinderat wiederholt, was er bereits im vergangenen Jahr festgestellt hat: „Die Sozialkompetenz der Kinder nimmt ab.“ Das bemerke er völlig unabhängig von den Flüchtlingskindern und es gelte sicher nicht nur in Attenweiler; es sei ein gesellschaftliches Phänomen. Mehr Kindern als früher fehle die richtige Selbstwahrnehmung. „Die kleinen Persönlichkeiten tun sich schwer in der Gruppe.“ Manche täten sich schwer damit zu warten, bis sie drankommen. Da es schon unter den deutschen Schülern Probleme gebe, seien den Patenschaften von Viertklässlern für jüngere Flüchtlingskinder Grenzen gesetzt.

    Unterschrift Foto: Der Attenweiler Rektor Karl-Josef Strohm würde sich mehr Unterstützung bei der Eingliederung von Flüchtlingskindern in die Regelklassen wünschen. Das Land konzentriere seine Förderung auf die Deutsch-Vorbereitungsklassen Bild: Archiv: Kliebhan, ©Schwäbische Zeitung