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    Kirchenleitung übt deutliche Kritik an Pastor Tscharntke – Keine Anklage

    Riedlingen, 23.09.2015 (Bruno Jungwirth, ©Schwäbische Zeitung)

    Wegen seiner Interview-Aussagen im „Südfinder“ (Mittwoch, 16. September) zur Flüchtlingsthematik, muss der Pastor der evangelischen Freikirche in Riedlingen, Jakob Tscharntke, keine Anklage durch den Staatsanwalt fürchten. Dies sagte Karl-Josef Diehl von der Staatsanwaltschaft Ravensburg gegenüber der SZ. Dafür distanzieren sich der Landes- und Bundesverband des Bunds Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG), zu dem auch die Eichenauer Gemeinde gehört, deutlich von den Äußerungen Tscharntkes.

    Tscharntke hatte in dem Interview von „Gesinnungsterror“ gesprochen, von einer „Perversion des Asylgedankens“, einem „Zuwanderungswahnsinn einer Angela Merkel“ sowie dass man Christen, die in muslimischen Ländern verfolgt werden, aufnehmen müsse, das sei klar. „Aber wir holen die Täter nach Deutschland – wenn auch nicht in Persona“, sagte Tscharntke im Interview.

    Aufgrund dieser und anderer, zum Teil noch deutlicherer Worte, muss Tscharntke keine Anklage durch den Rechtsstaat fürchten. Man habe den Interview-Text überprüft, so Diehl, aber „dieser Text hat noch keinen volksverhetzenden Charakter“, sagt der Staatsanwalt. Als Volksverhetzung wird gewertet, wenn jemand Aussagen trifft, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören oder wenn sie zu Hass und Gewalt gegen Personen aufstacheln.

    Grundlage der Untersuchung war nur der Interview-Text, so Diehl. Auf seiner Homepage spricht Tscharntke zudem davon, dass in diesen Tagen die Not „unseres Volkes so groß sei „wie noch nie seit dem 3. Reich.“ Man müsse schon Angst bekommen vor einer neuen Reichskristallnacht.

    Zu diesen Aussagen und vor allem von den Interview-Aussagen im „Südfinder“ gibt es klare Stellungnahmen des Landes- und Bundesverbands des BEFG, die als Kirche und Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt ist. „Der BEFG distanziert sich deutlich von den Äußerungen von Herrn Tscharntke. Es beschämt mich, dass durch derartige Äußerungen das schwere Schicksal vieler Flüchtlinge nicht geachtet und der Barmherzigkeit des Evangeliums widersprochen wird“, schreibt der Generalsekretär des BEFG in Deutschland, Christoph Stiba. Die Auffassung des BEFG sei in der Resolution des Bundesrates, dem höchsten Gremium des BEFG, nachzulesen, so Stiba. Am Ende dieser Resolution heißt es: „Wir bitten alle, ihre jeweiligen Möglichkeiten zu nutzen, um in Deutschland für ein Klima des versöhnten Miteinanders aller Menschen einzutreten und öffentlich für Migranten Partei zu ergreifen.“

    Der BEFG verweist darauf, dass es sich bei den Mitgliedsgemeinden, wie der aus der Eichenau, um selbstständige Ortsgemeinden handle. „Dennoch wird der BEFG prüfen, welche Schritte notwendig und möglich sind, wie eine Veröffentlichung derartiger Gedanken auf der Homepage einer Gemeinde, die zur BEFG gehört, verhindert werden kann“, heißt es in einem Schreiben des Bundes an die SZ.

    Auch der Leiter des Landesverbands der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden, Manfred Tesch, zeigt sich in einer Stellungnahme „erschrocken und entsetzt wie er über Menschen und ihre Situation urteilt“, so Tesch. Er distanziere sich ausdrücklich und in aller Schärfe davon.

    Kein ordinierter Pastor

    Tesch als auch Stiba weisen darauf hin, dass Tscharntke kein ordinierter Pastor des BEFG in Deutschland sei und somit auch nicht dessen Dienstrecht unterliege. Zudem enge die hohe Autonomie der Ortsgemeinden den Handlungsspielraum der Kirchenleitung bzw. der Leitung des Landesverbands ein. Aber gleichzeitig betonten sie, dass Tscharntke in keiner Weise autorisiert sei, für andere Kirchengemeinden des Bunds Stellungnahmen abzugeben.

    Schaden für die Freikirchen insgesamt durch die Äußerungen des Riedlinger Pastors befürchtet der BEFG indes nicht, wie Dr. Michael Gruber, Pressesprecher der BEFG sowie der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) betont: „Es handelt sich um eine Randmeinung eines Einzelnen, der kein ordinierter Pastor einer der Freikirchen ist und damit keine der Freikirchen in Deutschland repräsentiert. Die vielen Predigten, Gebete und die Unterstützung für Flüchtlinge durch die leitenden Geistlichen der Freikirchen, durch die Pastoren und die einzelnen Gemeinden sprechen eine deutlich andere Sprache – die Sprache der Barmherzigkeit und der Menschenfreundlichkeit.“

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