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    Pa Saidou Ngum aus Gambia hat in Biberach einen bewaffneten Räuber festgehalten

    Biberach, 31.01.2018 (Thomas Burmeister, ©Schwäbische Zeitung)

    Biberach sz
    Ein Biberacher Flüchtling auf Verbrecherjagd. Pa Saidou Ngum aus Gambia hat einen bewaffneten Räuber festgehalten - dabei hatte er einen entscheidenden Vorteil.

    Anstand, Mut, Humor. Fragt man in Biberach Bekannte von Pa Saidou Ngum nach seinen Eigenschaften, nennen sie unter anderem diese. „Er ist bei uns schon recht gut integriert, er fühlt sich zu Hause“, sagt Sozialarbeiterin Najla Dervina. Diese Kombination war es wohl, die den Asylbewerber aus dem westafrikanischen Kleinstaat Gambia tun ließ, wovor so mancher zurückgeschreckt wäre – und was ihm neben einer Auszeichnung einen Spitznamen einbrachte: „Schwarzwaldpolizist“.

    Aber der Reihe nach. In einer Novembernacht ist Pa – „kleiner Vorname genügt“, sagt er – nach der Spätschicht als Küchenhilfe im Stadtcafé auf dem Heimweg in seine Wohngemeinschaft. Er kommt an einem Geschäft für Sportwetten vorbei. Dass drinnen gerade die Kassierin mit einem Messer bedroht und zum Herausgeben der Tageseinnahmen gezwungen wird, ahnt er nicht. Kurz darauf rennt ein großer weißer Mann an Pa vorbei. Eine Frau ruft: „Hilfe, haltet ihn!“

    Räuber fuchtelt mit Messer

    „Ich bin losgerannt, hab’ gar nicht an was gedacht“, sagt der 27-jährige Gambier. Er ist schnell. Bei der TG Biberach hat er die 100-Meter-Strecke in 12,83 Sekunden geschafft. Es kommt zum Handgemenge. Der Räuber fuchtelt mit dem Messer, verletzt sich aber nur selbst. „Ich rufe: Schluss, Polizei, schwarze Polizei!“ Pa schmunzelt. „Und dann: Schwarzwaldpolizei! Wieso, weiß ich nicht.“

    Der verletzte Räuber lässt Messer und Beute fallen. Die echte Polizei kann ihn wenig später in einem Krankenhaus festnehmen. Knapp ein Jahr danach schüttelt der für Biberach zuständige Polizeipräsident von Ulm, Christian Nill, dem Gambier bei einer Feierstunde die Hand. Pa bekommt eine Urkunde für Zivilcourage.

    Karlsruhe ist zuständig

    Bringt das Pluspunkte für sein Asylverfahren? Jürgen Kraft schüttelt den Kopf – bedauernd, wie es scheint. Herr Ngum habe sich zwar vorbildlich verhalten, sagt der Leiter des Amts für Flüchtlinge und Integration im Landkreis Biberach. „Aber ausschlaggebend wird am Ende die Bewertung der Fluchtgründe sein.“

    Zuständig für Asylanträge von Gambiern, die bis Mitte 2017 gestellt wurden, ist die Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Karlsruhe. Deshalb leben immer noch die meisten der nach Deutschland gekommenen Gambier im Südwesten – laut Innenministerium rund 11 000.

    Nur eine Chance von 4,7 Prozent

    Im Vergleich zu anderen Flüchtlingen waren Gambier in Baden-Württemberg auffallend oft an Straftaten beteiligt. 2016 mehr als 4500 Mal. „Besonders im Bereich der Rauschgifthandelsdelikte sind sie stark überrepräsentiert“, sagt Innenministeriumssprecher Carl Dehner. Das hänge auch damit zusammen, dass Gambia als Drehkreuz für den internationalen Schmuggel von Kokain und Cannabis fungiere.

    Dass der „Schwarzwaldpolizist“ nach Einschätzung von Behörden und Sozialarbeitern anständig durchs Leben geht und sich vorbildlich um Integration bemüht, macht die Aussicht auf Bewilligung seines Asylantrags – zumindest statistisch gesehen – nicht größer. 2017 lag die Anerkennungsquote für Gambier bei 4,7 Prozent.

    Beschuldigt, homosexuell zu sein

    Als Grund hatte Pa, der 2015 über die Türkei, Griechenland und die Balkanroute kam, Verfolgung durch die berüchtigte Geheimpolizei seines Landes angegeben. Ein Kollege, der neidisch auf seinen Job als Wirtschaftsleiter in einem regierungseigenen Luxushotel gewesen sei, habe ihn als Homosexuellen angezeigt.

    „Ich bin gar nicht schwul, aber in Gambia genügt der Verdacht und du bekommst echte Probleme“, sagt Pa. „Ich musste zum Verhör, da bin ich abgehauen, die ganze Familie hat mir Geld mitgegeben.“ Gambias Diktator Yahya Jammeh hatte alle Homosexuellen aufgefordert, zu verschwinden. Sonst werde er ihnen persönlich „den Kopf abschlagen“. Unter Jammeh waren willkürliche Verhaftungen, Folter und Hinrichtungen ohne Urteil laut Menschenrechtsorganisationen weit verbreitet.

    „3 plus 2“-Regel könnte helfen

    Doch Anfang 2017 wurde der Herrscher nach 22 Jahren aus dem Amt gedrängt. Unter dem neuen Präsidenten Adama Barrow haben sich die Verhältnisse so weit verbessert, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem Land im vergangenen Dezember einen Besuch abstattete. Er versprach Hilfe bei Demokratisierung und Entwicklung.

    Auch wenn der Antrag von Pa abgelehnt wird, hat er eine Chance, noch einige Jahre in Deutschland zu bleiben. Jürgen Kraft, der oft „unsere“ sagt, wenn er über Flüchtlinge im Landkreis Biberach spricht, verweist auf die „3 plus 2“-Regel. „Danach dürfen Asylbewerber, die eine dreijährige Berufsausbildung beginnen, bis zu deren Abschluss bleiben und danach noch mal maximal zwei Jahre.“

    Prämie von 100 Euro

    Für Pa zeichne sich eine Ausbildungsstelle als Koch ab, sagt Kraft. „Wir bemühen uns im Landkreis Biberach sehr um die Integration unserer Flüchtlinge und sie gelingt immer besser“, sagt er. „Auch deshalb ist die Akzeptanz für diese Menschen bei unseren Bürgern, die anfangs sehr reserviert waren, inzwischen recht hoch.“

    „Die Welt lebt von Menschen, die mehr tun als ihre Pflicht.“ Der Spruch steht auf der Urkunde der Polizei, die Pa in seinem WG-Zimmer aufgestellt hat. Sie besteht aus einem in Folie eingeschweißten blauen DIN-A4-Blatt. Dazu gab es eine Prämie: 100 Euro.

    Unterschrift Foto: Pa Saido Ngum aus Gambia hat in Biberach einen bewaffneten Räuber festgehalten und der Polizei übergeben. Er erhielt dafür eine Auszeichnung für Zivilcourage. Bild: Thomas Warnack/dpa, ©Schwäbische Zeitung