Schwendi sz
Mit Fahrrädern hat die Initiative „Bike Bridge“ in Freiburg erfolgreich Integrationsarbeit ins Rollen gebracht. Die Hertie-Stiftung hat das Projekt jetzt an Platz eins mit dem Deutschen Integrationspreis 2017 ausgezeichnet; damit verbunden ist ein Preisgeld von 50 000 Euro. Eine der Gründerinnen von „Bike Bridge“ ist Clara Speidel aus Schwendi-Kleinschafhausen.
Die 26-Jährige hat in Freiburg Sportwissenschaft und Sporttherapie studiert. Über ihre Bachelor-Arbeit kam sie mit Shahrzad Mohammadi in Kontakt. Die aus dem Iran stammende Doktorandin hatte die Idee, mit Radfahren die Integration von Frauen zu fördern, die in Freiburger Sammelunterkünften leben und Asyl beantragt haben. Zusammen mit Lena Pawelke, auch sie Doktorandin, haben die beiden „Bike Bridge“ ins Leben gerufen.
Geübt wird in Tandems
Das Programm richtet sich speziell an Flüchtlingsfrauen. Ehrenamtliche Helferinnen schulen sie in Fahrradkursen. Drei Monate lang wird zwei mal pro Woche in Theorie und Praxis geübt, und zwar in Tandems: Jede Teilnehmerin hat ihre persönliche Betreuerin. Vor allem Frauen aus muslimischen Ländern müssen oft erst einmal lernen, Rad zu fahren. „Wo sie herkommen, ist das Frauen zum Teil nicht erlaubt, oder es gehört einfach nicht zur dortigen Kultur“, sagt Clara Speidel.
In den Kursen werden auch Verkehrsregeln gelehrt und wie man kleinere Reparaturen am Fahrrad bewerkstelligt. Wenn alle Teilnehmerinnen sicher im Sattel sitzen, unternehmen die Betreuerinnen mit ihnen Touren und Ausflüge in Freiburg und der Umgebung. So kommen die Flüchtlinge untereinander, mit den Trainerinnen und mit anderen Menschen in Kontakt; sie können ihr Deutsch verbessern und die regionale Kultur und Traditionen kennenlernen.
Nach einem erfolgreichen Pilotkurs 2016 hat „Bike Bridge“ dieses Jahr vier Kurse für je zehn Teilnehmerinnen veranstaltet. Die Fahrräder sind gespendet, die Stadt Freiburg stellt der Initiative kostenlos Räumlichkeiten für Büro und Werkstatt zur Verfügung.
Die Jury der Hertie-Stiftung hat das Konzept so überzeugt, dass sie „Bike Bridge“ als eines von acht Projekten für die Endrunde des nach eigenen Angaben größten deutschen Integrationswettbewerbs nominierte. Insgesamt waren mehr als 250 Bewerbungen für den Deutschen Integrationspreis 2017 eingegangen.
Teilhabe an der Gesellschaft
Bei der Preisverleihung Ende Oktober in Frankfurt am Main „saßen wir mit großen Augen da und waren total überrascht, dass wir den ersten Preis zugesprochen bekamen“, erzählt Clara Speidel. Für den Jury-Vorsitzenden Hans-Jörg Vetter, Vorsitzender des Kuratoriums der Hertie-Stiftung, ist die Auszeichnung verdient: „Durch die soziale und kulturelle Integration durch Fahrrad fahren gewinnen geflüchtete und zugewanderte Frauen an Freiheit“, sagte er in seiner Laudatio. „Sie werden mobil und erfahren Teilhabe an unserer Gesellschaft, was sich wiederum positiv auf die Familien der Frauen auswirkt.“ Das Konzept sei zudem einfach auf andere Regionen und Rahmenbedingungen zu übertragen.
„Wir schaffen Begegnung auf Augenhöhe“, erklärte Lena Pawelke bei der Gala in Frankfurt. „Mit dem Preisgeld können wir nun den zahlreichen Anfragen nachkommen und unser Konzept weiter verbreiten.“
Die Initiative „Bike Bridge“ war bisher an den Verein Mountainbike Freiburg angekoppelt. Zum 1. Januar 2018 soll daraus ein selbstständiger eingetragener Verein werden. Auch andernorts soll es künftig „Bike-Bridge“-Angebote geben, zuerst in Stuttgart und Frankfurt, und vielleicht demnächst im Landkreis Biberach.
Die gemeinnützige Hertie-Stiftung wurde 1974 von den Erben des Kaufhausinhabers Georg Karg ins Leben gerufen und ist heute nach eigenen Angaben eine der größten weltanschaulich unabhängigen und unternehmerisch ungebundenen Stiftungen in Deutschland. Ihre Arbeit konzentriert sich auf zwei Leitthemen: das Gehirn erforschen und die Demokratie stärken.
Unterschrift Foto: Strahlende Gewinnerinnen: In Frankfurt haben Clara Speidel (links) und Lena Pawelke von der Initiative „Bike Bridge“ den mit 50 000 Euro dotierten ersten Preis beim Deutschen Integrationspreis 2017 der Hertie-Stiftung entgegengenommen. Bild: Hertie-Stiftung/Jens Braune , ©Schwäbische Zeitung