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    Junge Männer aus Gambia wollen bei Diehl Aircabin die Chance auf eine berufliche Zukunft nutzen

    Laupheim, 20.01.2017 (Reiner Schick, ©Schwäbische Zeitung)

    Laupheim sz
    Immer mehr Unternehmen in der Region sind bereit, geflüchteten Menschen die Chance auf eine berufliche Perspektive in Deutschland zu ermöglichen. Im Raum Laupheim machte das Baltringer Bauunternehmen Schmid den Anfang, inzwischen haben einige nachgezogen. Darunter auch die Firma Diehl Aircabin.

    „Herr Schmid sagte damals: Wer soll denn starten, wenn nicht wir?“, erinnert sich Jens Böhlke, Personalleiter bei Diehl Aircabin. „Diese Aussage konnte einen schon an der Ehre packen.“ Zumal es für ein so großes Unternehmen einfach wichtig sei, „sich der Integrationsaufgabe zu widmen“. Die vollen Auftragsbücher und der damit verbundene erhöhte Beschäftigungsbedarf beim Laupheimer Flugzeugkabinen-Ausstatter erleichterten den Schritt. „So haben wir uns gedacht, wir suchen nicht nur auf dem normalen Arbeitsmarkt, sondern vergeben eine größere Anzahl von Stellen auf andere Weise.“ Diehl Aircabin veranstaltete daher in Zusammenarbeit mit der IHK, der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter einen zusätzlichen Bewerbertag nur für Flüchtlinge. Mit Erfolg. „Wir konnten sechs Zusagen für den Beginn eines Praktikums Anfang Januar geben“, berichtet Böhlke. Drei Bewerber sind zwar mittlerweile abgesprungen, für die drei übrigen – Muhammad Jallow, Gimbo Kigera und Mamoud Nyang, alle aus Gambia – hat in diesem Jahr ein neuer, möglicherweise länger andauernder Lebensabschnitt begonnen.

    Reguläre Beschäftigung winkt

    Bei dem zweistufigen Praktikum lernten die jungen Männer in den vergangenen zwei Wochen die Grundlagen der Verfahrensmechanik kennen, Werkstoffe zu schleifen, laminieren und lackieren und dabei auch auf die Arbeitssicherheit zu achten. Ab kommender Woche geht es für vier Wochen in die Fertigung. Wenn es gut läuft, winkt danach eine reguläre Beschäftigung über die Zeitarbeit. „Wir haben im Moment viele Zeitarbeiter im Betrieb. Da käme es nicht gut an, wenn wir den Flüchtlingen gleich eine Festanstellung bieten würden“, erklärt Jens Böhlke. Als nächster Schritt sei ein Einstiegs- und Qualifizierungsjahr (EQJ) denkbar – eine Vorstufe zur Ausbildung.

    Die hat Musa „Pablo“ Jagne schon erreicht. Der ebenfalls aus Gambia stammende junge Mann begann am 1. September 2016 ein EQJ – und schlägt sich so prächtig, dass er im September mit der Ausbildung beginnen soll. Jens Böhlke freut sich: „Er ist super integriert. Ein Glücksfall.“ Und ein Beispiel dafür, dass man auch sprachliche Barrieren überwinden kann. „Die Kommunikation funktioniert, notfalls mit Händen und Füßen“, sagt Daniel Seefelder, Ausbilder für Verfahrensmechanik bei Diehl Aircabin. Für die Fachbegriffe bekommt Musa ein spezielles Wörterbuch (Deutsch-Englisch) zur Hand. „Pablo hängt sich ziemlich rein. Er macht sich viele Notizen und nimmt auch Unterlagen mit nach Hause.“ Und auch die anderen Azubis helfen, wo’s geht. „Einige unterstützen ihn in der Mittagspause beim Berichtsheft schreiben“, erzählt Ausbildungsleiter Wolfgang Hertle.

    Über so viel Engagement freuen sich auch Manuel Manz und Armin Speidel. Die beiden haben sich anfangs ehrenamtlich um Laupheimer Flüchtlinge gekümmert, inzwischen sind sie als Angestellte bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ulm für die berufliche Integration zuständig. „Was bei Diehl Aircabin gemacht wird, ist toll. Es gibt nur wenige Firmen, die es so intensiv betreiben“, sagt Manz. So bemüht er sich, auch die drei freien Praktika-Stellen noch mit Flüchtlingen aus dem Raum Laupheim zu besetzen. Das sei aber nicht so einfach, denn nicht alle seien gleichermaßen geeignet.

    Vorbild Musa Jagne

    Und so motiviert wie Muhammad Jallow, Gimbo Kigera und Mamoud Nyang. „Sie sind sehr lernwillig“, urteilt Jonathan Ehrhart. Für den Azubi im zweiten Lehrjahr ist die Zusammenarbeit mit den drei Afrikanern eine neue Erfahrung – eine gute. „Es macht Spaß“, meint er. „Wenn man ihnen etwas sagt, machen sie es auch.“ Ehrhart glaubt, dass sich die drei so anstrengen, weil ihnen die große Chance, die sie bekommen haben, bewusst ist. Und wenn es doch mal einen Durchhänger gibt, dann hofft Wolfgang Hertle auf das Vorbild Musa Jagne: „Ich glaube, dass er seine Landsleute motivieren wird.“

    Sprache als Hürde

    Vor 16 Monaten kam Gimbo Kigera aus Gambia nach Laupheim. In seiner Heimat habe er Schreiner gelernt und daher auch hier ein zweimonatiges Praktikum in einer Schreinerei absolviert. Etwas Längerfristiges wurde daraus nicht – zu groß waren die sprachlichen Hürden. Kein Wunder, denn bislang hat der 22-Jährige, der in der Freizeit Fußball für den FC Inter Laupheim spielt, nur einen einmonatigen Sprachkurs absolviert; hinzu kommen einmal wöchentlich zwei Stunden Deutschunterricht. „Er hat von den drei Praktikanten die größten Sprachprobleme“, bestätigt Daniel Seefelder, Ausbilder bei Diehl Aircabin. Er fügt aber an: „Gimbo ist handwerklich sehr begabt.“ So hat ihm das jüngste Kurzpraktikum in einem Malerbetrieb denn auch ganz gut gefallen. „Jetzt mache ich das hier bei Diehl Aircabin, dann möchte ich entscheiden, was besser ist für mich“, sagt Gimbo Kigera.

    „Riesenfortschritte“

    Ein Paradebeispiel für die schnellen Fortschritte, die Menschen dank entsprechender Begleitung machen können, ist Mamoud Nyang. Der 21-Jährige, in Flüchtlings- und Helferkreisen auch unter dem Spitznamen „Mäx“ bekannt, „ist eher schüchtern und war anfangs nahezu Analphabet“, sagt Manuel Manz von der IHK über den Gambier, den er als Ehrenamtlicher von Beginn an mitbetreut hat. „Er hat sprachlich einen Riesensprung gemacht.“ Dabei half auch der Besuch der Vorqualifikationsklasse „Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse“ an der Kilian-von-Steiner-Schule in Laupheim. In den fast zwei Jahren, die „Mäx“ nun in Laupheim lebt, hat er außerdem ein einmonatiges Praktikum in einer Firma für Qualitätsprüfung und drei Monate in einem Baumarkt gejobbt. In der Heimat arbeitete er als Fliesenleger und Lkw-Fahrer, beides aber ohne Ausbildung.

    „Hauptsache Arbeit“

    Muhammad Jallow (25) ist in Orsenhausen bestens bekannt als Fußballer des örtlichen SVO – mit vermutlich ausgeprägten Läuferqualitäten. Zu seinen Hobbys zählt nämlich neben Musik und Fußball der Marathonlauf. In seiner Heimat Gambia habe er schon einige Läufe absolviert, sagt Jallow. Berufliche sei er als Gärtner und Elektriker tätig gewesen. Vor rund 16 Monaten kam er nach Laupheim, dank eines dreimonatigen Sprachkurses und einmal wöchentlich zweistündigem Deutschunterricht kann er sich schon halbwegs verständigen. Drei Monate habe er im städtischen Bauhof in Laupheim gearbeitet, das Praktikum bei Diehl Aircabin ist nun der Versuch, beruflich längerfristig Fuß zu fassen. „Ich mache das gerne“, sagt Muhammad Jallow und betont, dass er nicht wählerisch sei: „Es ist egal, Hauptsache ich habe irgendeine Arbeit.“

    Ein Video dazu gibt es unter www.schwaebische.de/diehl-aircabin-integration

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