Bad Schussenried sz
Mit einer Million Euro will das Sozial- und Integrationsministerium Baden-Württemberg 2016 die Arbeit lokaler Initiativen in der Flüchtlingshilfe unterstützen. Die Diakonie Biberach hat stellvertretend für ein lokales Bündnis Bad Schussenrieder Akteure den Antrag gestellt und den Zuschlag erhalten. 14 500 Euro fließen nun aus dem Förderprogramm „Gemeinsam in Vielfalt“ in die Region.
Schon im Vorfeld haben die Beteiligten sich viele Gedanken darüber gemacht, wie sie das Geld aus dem Förderprogramm „Gemeinsam in Vielfalt“ werden könnten. Im Rathaus kam es am Freitag zu einem weiteren Treffen aller Beteiligten. Sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und sich zu vernetzen, ist ein wichtiger Bestandteil der Förderrichtlinien. „Wichtig ist uns, dass dies kein Projekt werden soll, bei dem paternalistisch über den Kopf der Flüchtlinge hinweg bestimmt werden soll“, stellt Ursula Schmid-Berghammer fest, die das Ganze moderierend begleitet und zusammen mit der Diakonie Biberach den Projektantrag gestellt hat. „Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich bei den Flüchtlingen um Menschen handelt, die zwar aufgrund von Krieg, Gewalt oder anderen Gründen ihre Heimat verlassen mussten, die aber dennoch mündige Bürger sind“, fügt Pfarrer Matthias Ströhle hinzu.
Bewusst soll daher ein Teil des Geldes von den Flüchtlingen selbst verwaltet werden. Rund 3000 Euro sollen, so ein Wunsch der Flüchtlinge, in die Renovierung des Gemeinschaftsraumes in der Gemeinschaftsunterkunft in der Konradstraße fließen. Alternativ könnte das Geld auch dafür verwendet werden, in der zweiten Unterkunft in der Pfarrer-Leube-Straße einen Gemeinschaftsraum einzurichten. Abhängig ist diese Entscheidung davon, wie es mit den beiden Unterkünften weitergeht.
Ursprünglich war geplant gewesen, in der Konradstraße sowohl Flüchtlinge als auch Obdachlose unterzubringen. Dazu ist es laut Bürgermeister Achim Deinet jedoch nicht gekommen. „Unsere Obdachlosen leben weiterhin in den für sie bereitgestellten städtischen Unterkünften“, sagt er. Eine Zusammenlegung sei bisher nicht nötig gewesen. Als sinnvoll erachtet es jedoch die Kommune, die freien Plätze in der Konradstraße künftig eventuell für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen zu nutzen. Auch in diesem Fall wäre die Einrichtung eines Gemeinschaftsraums sinnvoll.
Klar ist schon jetzt, dass das Team der Jugend- und Schulsozialarbeit die Teilnahme am Förderprogramm dazu nutzen will, ihre Angebote auszuweiten. Die bisherige Erfahrung zeigt: Von sich aus finden die jüngeren Flüchtlinge nicht den Weg ins Jugendzentrum. „Die Berührungsängste sind zu groß“, glaubt Jugendbeauftragter Oliver Nessensohn. Geplant ist daher nun, auf die jungen Leute zuzugehen und sie persönlich einzuladen. „Da es in den Unterkünften kein Internet gibt, wollen wir ein Internetcafé anbieten - wir bieten ihn das, was sie sich wünschen“, sagt er. Nessensohn hofft, dass so erste Kontakte zustande kommen werden. Parallel dazu möchten die Bad Schussenrieder Jugendlichen Spielnachmittage veranstalten – in der Hoffnung, dass auch so Berührungsängste fallen. Los gehen soll es im Herbst.
Vereine beteiligen sich
Auch die Vereine wollen nun gezielter in den Integrationsprozess mit einsteigen. „Gerade beim Sport braucht es oft wenig Sprache und sich zu bewegen, ist für die Jüngeren ein Ventil“, sagt Klaus Gretzinger, Vorsitzender des Bad Schussenrieder Rad- und Motorsportvereins. Angedacht ist, interessierte Flüchtlinge noch stärker beim Fußball, Tischtennis und Radfahren zu integrieren. „Auch der neue Bikepark bietet sich an, da gibt es immer etwas zu tun und es ist ein hipper, spannender Sport.“
Von Seiten der Schulen gibt es den Wunsch, Flüchtlinge und Schüler künftig häufiger zusammenzubringen. „Möglich wäre, dass die Schüler die Unterkünfte besuchen und dass Flüchtlinge im Unterricht von ihrem Weg berichten“, fasst Ursula Schmid-Berghammer zusammen. Anstatt indirekt im Fernsehen und anderen Medien darüber zu lesen, sollen die Jugendlichen direkt erfahren, was es bedeutet, fern der Heimat zu sein. Weitere Ideen sind ein gemeinsamer Koch- und ein Kurs zum Fahrradfahren lernen. „Hinter dem Begriff Flüchtling stecken Menschen mit ganz unterschiedlichen Interessen und Fähigkeiten, sie stellen genauso wie wir einen Querschnitt ihrer Gesellschaft dar“, sagt Pfarrer Matthias Ströhle. „Es geht nun darum herauszufinden, wo man sich begegnen und was daraus entstehen kann.“ Knackpunkt ist und bleibt, den Kontakt zu Mädchen und Frauen zu finden. „Aufgrund der kulturellen Unterschiede gestaltet sich das als sehr schwierig“, so Ströhle. Hier brauche es geschützte Räume, wie etwa der Nähtreff für Frauen, den es in Ochsenhausen gibt.
Eine weitere Herausforderung ist, dass nie klar ist, wie lange die Flüchtlinge in Bad Schussenried bleiben. „Manche Syrer haben sehr schnell eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sind umgezogen, andere warten seit einem knappen Jahr auf eine Entscheidung“, erklärt Kreissozialarbeiterin Katharina Saemrow. Umsonst seien die Bemühungen dennoch nicht. „Integration ist immer ein mühsamer, langer Weg. Doch er lohnt sich auf jeden Fall, denn viele dieser Menschen bleiben für immer bei uns“, sagt Ströhle.
Unterschrift Foto: Fanden sich zum Netzwerken zusammen (v.l.): Barbara Widmann von der Stadtverwaltung, Bürgermeister Achim Deinet, Pfarrer Matthias Ströhle, Jugendbeauftragter Oliver Nessensohn, Sozialarbeiterin Katharina Saemrow, Moderatorin Ursula Schmid-Berghammer Bild: Katrin Bölstler, ©Schwäbische Zeitung