Sie geht unter die Haut, die musikalische Begleit-Veranstaltung zur Anne Frank-Ausstellung im Riedlinger Rathaus als Beitrag des Kolping-Bildungswerkes. Sie berührt, bedrückt, rüttelt auf, zeigt die Aktualität des Themas von Verfolgung und Flucht, vermittelt aber auch Ankommen. Am Mittwoch, 30. Januar, 18 Uhr, sind im Riedlinger Rathaus Instrumentalmusik, Lieder und Texte, vorgetragen von Schülern, Lehrern und Freunden des Bildungszentrums, noch einmal zu hören.
Zu den Freunden gehört Bernd Geisler, der als Musiker und als Engagierter in der Flüchtlingsarbeit die Leitung übernommen und zusammen mit Beatrix Nassal das Programm zusammengestellt hat.
Im Mittelpunkt des kleinen Konzertes steht die Mauthausen Kantate. Der Text stammt von Jakobos Kambanellis, der während des Zweiten Weltkrieges Gefangener im Konzentrationslager Mauthausen war und in den 1960er-Jahren seine Erinnerungen aufschrieb und vier Gedichte dazu verfasste, die er dem Komponisten Mikis Theodorakis zur Vertonung gab.
Die Musik dazu schrieb der Grieche auch unter dem Anspruch, den Jugendlichen die Geschichte in Erinnerung zu rufen und Ereignisse fest zu halten, „die niemals vergessen werden dürfen“. Dazu gehört das „Lied der Lieder“, ein Liebeslied über ein Mädchen „unsagbar schön“. Darin beklagt Kambanellis: „Man hat sie fortgebracht und keiner weiß wohin“, nicht ohne in dem Lied „Wenn der Krieg zu Ende ist“, zu hoffen: „Dann dürfen wir uns endlich lieben, auch dort, wo uns der Tod vertraut war“.
In Worte gefasst hat er die „Treppe der Tränen“, über welche die Gefangenen Steine schleppen mussten oder jenes vom Ausbrecher, der weiß: „Ich bin ein Flüchtling und ich bin in eurer Hand“. Geisler ist die Mauthausen-Kantate in Tübingen begegnet und er hat sie mit Musikern und Sängern für Riedlingen einstudiert.
Das Herz bleibt einem stocken, beim Lied von Berthold Brecht: „Was ist der Mensch ohne Pass“, entstanden nach Flüchtlingsgesprächen in den Jahren 1940/41, könnte aber auch heute getextet worden sein. Gabriele Lang singt das Lied zur Gitarrenbegleitung von ihrem Mann Bernd Geisler, wie auch das von Kurt Weill vertonte Brecht-Gedicht „Zu Potsdam unter den Eichen“ aus den 1920er-Jahren als Protest gegen den Krieg, wozu das Gedicht von Wolfgang Borchert passt, sich zu verweigern, wenn es darum geht, Kriegsgerät zu produzieren.
Not der Menschen
Wehrmachts-Deserteuren ist der Nachruf von Ludwig Baumann gewidmet, wie das Lied „Der Deserteur“ von Boris Vian, zur Gitarre intoniert von Ulrich Hirsch. An die „Weiße Rose“ der Geschwister Scholl erinnert die Fassung des Liedes „Guantanamera“.
Bei dem Konzert mit dabei sind Mitglieder des Gitarren-Ensembles „Pizzicato“ von Bernd Geisler, zu dem auch das Gitarrenduo Selma Quertani und Paul Geisler zählt, das die Konzertbesucher verabschiedet, die davor als Hoffnungszeichen noch interkulturelle Musik erleben dürfen zusammen mit Abdulrahman Mansour an der arabischen Laute und Enji Wakkas an der Violine, die beide aus Aleppo in Syrien stammen und so ergänzt das Klagelied „Shahba“ über das Schicksal der „Hauptstadt der islamischen Kultur“ das Programm.
Es macht aufmerksam auf die Not der Menschen, die derzeit auf der Flucht sind. Einige Schicksale derer, die es nicht geschafft haben, werden vorgetragen, viele von ihnen starben bei dem Versuch, über das Meer nach Europa zu gelangen.
Der Eintritt zu der Veranstaltung ist frei, die auch zum Betrachten der Anne Frank-Ausstellung im ersten und zweiten Stock des Rathauses einlädt, die ebenfalls auf Vergangenheit und Gegenwart eingeht
Unterschrift Foto: Bernd Geisler (rechts) hat zusammen mit SchülerInnen und LehrerInnen des Kolping-Bildungszentrums und Freunden ein einfühlsames und eindrucksvolles Konzert einstudiert. Bild: Waltraud Wolf, ©Schwäbische Zeitung