Nach nur fünf Tagen schließt das Regierungspräsidium (RP) Tübingen die Flüchtlings-Erstaufnahmestelle (EA) des Landes auf dem Geländer der Polizeihochschule in Biberach wieder. Die etwa 100 verbliebenen Flüchtlinge wurden am Freitag auf Einrichtungen in Sigmaringen und Heidelberg verteilt. Ob die Einrichtung in Biberach nochmals in Betrieb geht, muss das Innenministerium entscheiden.
Bereits in den vergangenen Tagen hatten Helfer hinter vorgehaltener Hand die Zustände kritisiert, unter denen die Flüchtlinge, darunter auch viele kleine Kinder und Babys, seit Sonntagabend in den beiden Fahrzeughallen der Polizeihochschule untergebracht waren. Das Fass zum Überlaufen brachte offenbar die Erkrankung von sechs Flüchtlingen (zwei Erwachsene, vier Kinder) mit dem ansteckenden Norovirus (SZ berichtete).
„Das RP hat sich entschlossen, die verbliebenen Flüchtlinge nach Heidelberg zu verlegen. ,Die erkrankten Personen und deren Angehörige kamen in die Krankenstation der Aufnahmestelle in Sigmaringen“, sagte Dr. Daniela Hüttig, Sprecherin des RP Tübingen am Freitag. Die Bedingungen in den Hallen seien nicht gerade angenehm gewesen. „Das Ganze war nur als vorübergehende Notunterkunft gedacht, die wir ja nicht nachbelegen müssen, wenn es nicht sein muss“, so Hüttig. Speziell die Temperaturen in den Hallen seien trotz Heizung nicht so gewesen, wie man dies von anderen Unterkünften kenne. Ob die Unterkunft in Biberach ganz aufgegeben wird oder als Reserve bestehen bleibt, müsse jetzt das Innenministerium entscheiden.
„Suboptimal“ sei die Unterbringung der Menschen gewesen, sagt auch Michael Mutschler, der Leiter des Biberacher DRK-Rettungsdiensts. Mit rund 60 Helfern hatte er am Sonntagabend für eine erste medizinische Versorgung der Flüchtlinge gesorgt und seither stundenweise eine Sanitätswache auf dem Gelände der Aufnahmestelle betrieben. Diese werde man übers Wochenende noch stehen lassen und in der kommenden Woche wieder abbauen.
Kritische Töne kommen aus dem Biberacher Landratsamt. Die Entscheidung des RP, die Aufnahmestelle zu schließen, kommentierte Bernd Schwarzendorfer, Sprecher des Landratsamts, mit den Worten: „Das ist auch gut so.“ Aus Sicht seiner Behörde seien die Zustände in der Aufnahmestelle des Landes „untragbar“ gewesen. In den Hallen sei es trotz Heizung kaum wärmer als fünf Grad geworden, weil der nackte Betonboden so viel Kälte abgestrahlt habe. „Darin kann ich keine Menschen unterbringen und schon gar keine Kinder“, sagte er. Im Landratsamt hoffe man, dass sich so etwas nicht wiederhole.
Landrat Dr. Heiko Schmid werde dies auch in einem Brief an den Innenminister zum Ausdruck bringen, kündigte Schwarzendorfer an. „Der Landkreis würde es sich niemals erlauben, Menschen so unterzubringen“, sagte er. Wenn man wolle, dass die Bevölkerung auch künftig mitziehe, müsse man solche Zustände vermeiden. „Für unsere Gemeinschaftsunterkünfte gelten andere Standards“, stellte er klar.
Kritik an der Vorgehensweise des Landes hatte es bereits in der vergangenen Woche gegeben. So beklagten sich die Anwohner der Polizeihochschule darüber, dass sie von der Einrichtung der EA kurzfristig aus der Zeitung erfuhren. Für eine rechtzeitige Information habe es aufgrund des Zeitdrucks nicht mehr gereicht, argumentierte das Regierungspräsidium.
Überrascht waren die Verantwortlichen vor Ort bei der Ankunft der drei Flüchtlingsbusse am Sonntagabend auch darüber, wie viele Kinder und Babys sich unter den 144 Personen befanden. Auf die Schnelle mussten Babynahrung, Babybekleidung und Kinderwagen organisiert werden. „Man hätte uns auch vorher Bescheid geben können, dass viele kleine Kinder in den Bussen sind, dann hätten wir uns vorbereiten können“, hatte Oberbürgermeister Norbert Zeidler am vergangenen Montag dazu gesagt.
Unterschrift Foto: Abgeteilte Bereiche in den Fahrzeughallen: So sah es in der Erstaufnahmestelle auf dem Gelände der Polizeihochschule am Sonntag vor der Belegung aus Bild: Thomas Warnack, ©Schwäbische Zeitung