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    Krieg und Flucht in bunten Bildern: Ausstellung in Mittelbiberach plus

    Mittelbiberach, 17.05.2019 (Celina Fels, ©Schwäbische Zeitung)

    „Seelenbilder“ heißt die Ausstellung, die zurzeit im Mittelbiberacher Rathaus zu sehen ist. Die Künstlerin Fatima Mirsai verarbeitet darin Ängste und Probleme – und kehrt damit ihr Innerstes nach außen. Zusammen mit ihrem Mann und ihren Kindern ist die 31-Jährige aus Afghanistan geflohen, seit drei Jahren wohnen sie nun in Mittelbiberach.

    Mehr als zwei Monate lang waren die schwangere Fatima Mirsai und ihre Familie unterwegs. Der beschwerliche Weg führte sie durch den Iran, die Türkei und Griechenland. Schlussendlich kamen sie nach Karlsruhe, wo Asra, ihr fünftes Kind, geboren wurde. In ihrer neuen Heimat Mittelbiberach beschloss Fatima Mirsai, ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Sie legte das Kopftuch ab, lernte rasch Deutsch und begann eine Ausbildung. In Afghanistan sei sie als Frau als schwach angesehen worden, erzählt sie. Hier in Deutschland könne sie dagegen selbstständig und selbstbewusst sein. „Ich bin froh, dass wir nun in Freiheit leben können.“

    Fatima Mirsai war es in Afghanistan nicht erlaubt, zur Schule zu gehen. Sie suchte in den Abfallkörben der benachbarten Schulen nach Stiften und Papier und malte mit ihren Geschwistern Bilder auf den Boden. Schon als Kind verspürte sie den Wunsch, zu zeichnen. Doch erst in Deutschland konnte sie dieser Leidenschaft wirklich nachgehen, erzählt Mirsai. Ihre ersten Aquarelle mit realen Motiven aus ihrer neuen Heimat gefielen ihr aber schon bald nicht mehr: „Ich kopiere nicht gerne das, was ich sehe – ich male lieber, was mich beschäftigt.“

    Schlimme Erfahrungen als Motive

    Von etwas Erspartem kaufte sie sich ihre erste Leinwand und Ölfarben. Wenn sie gerade keine freie Leinwand zur Verfügung hatte, übermalte sie kurzerhand ihre früheren Bilder. In der Nacht, wenn alle anderen schlafen, bringt Fatima Mirsai ihre Innenwelt auf die Leinwand – oftmals malt sie bis fünf oder sechs Uhr morgens. Ihr Mann Nayeb hält ihr den Rücken frei, sodass sie sich ihrer Kunst widmen kann.

    Pablo Picasso soll einst gesagt haben, dass Kunst den Staub des Alltags von der Seele wäscht. Bei ihr würde aber nicht nur Staub auf der Seele liegen, sondern auch Scherben und Trümmer. „Ich habe in meinem Leben viele schlimme Erfahrungen gemacht, meine Bilder entstehen wie von selbst.“ Beim Malen gebe sie sich ihren Gefühlen hin und wähle Farben aus, die zu ihrer Stimmung passen. „Ich liebe die Farben und ich male mich frei“, erzählt die 31-Jährige.

    „Anfangs findet man auf den Bildern kaum Gegenständliches, man ist aber sofort von der Fülle an Farben und Formen fasziniert“, sagt Cornelia Conzelmann. Sie hat Fatima bei einem Kunstprojekt für Frauen im Kreis Biberach kennengelernt und unterstützt sie seitdem. Die Kraft, die von den Gemälden ausgeht, sei beeindruckend: „Man wird förmlich von Augen und Teilen von Gesichtern und Fratzen gefangen genommen“, findet Conzelmann.

    Bei vielen anderen Geflohenen aus Afghanistan stößt Fatima mit ihrer freizügigen Lebensweise und ihrer Kunst allerdings auf Unverständnis: Sie verhalte sich wie eine Christin und sei keine richtige Ehefrau, werde ihr häufig vorgeworfen. „Oftmals vergessen wir Deutschen, dass Integration nicht mit Amtsgängen und dem Erlernen einer neuen Sprache erledigt ist“, sagt Cornelia Conzelmann. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Landsleuten sei oftmals schwieriger.

    Die einen ließen sich auf ihr neues Umfeld ein und passten sich an die Kultur an. Die anderen hätten Angst davor, ihre nationale Identität zu verlieren. Angst mache leider oft aggressiv, weshalb sich die Mirsais täglich mit Anfeindungen und Lästerungen herumschlagen müssen. Mirsai erzählt, ihrem Mann würden Bekannte vorwerfen, er hätte sie „als seine Frau nicht im Griff“.

    Den inneren und äußeren Konflikt um ihre Identität greift Fatima in ihrer Kunst auf. Ein wiederkehrendes Element in ihren Gemälden sind Augen. Die Augen sollen ihren Blick auf die vielen Frauen und Mädchen in ihrer Heimat richten, die keine Beachtung erfahren und als minderwertig angesehen werden. Auf der anderen Seite gibt es in ihren Bildern aber auch Augen, die auf sie herabschauen, sie bewerten und kontrollieren.

    27 Werke von Fatima Mirsai sind noch bis zum Dienstag, 4. Juni, im Rathaus Mittelbiberach ausgestellt. Bei einer Matinee am Sonntag, 19. Mai, führt Fatima ab elf Uhr durch ihre Ausstellung und beantwortet Fragen zu ihren Bildern.

    Unterschrift Foto: Fatima Mirsai stellt ihre farbenfrohe Kunstwerke zurzeit im Mittelbiberach Rathaus aus. Die Bilder haben meist einen ernsten Hintergrund: „Zwangsbraut“ heißt ihr neustes Gemälde. Bild: Celina Fels, ©Schwäbische Zeitung