In den Backsteinbau an der Gammertinger Straße hat der Freundeskreis „Freunde für Fremde“ am Freitagnachmittag geladen. Zum ersten Mal nach der langen Sommerpause trafen sich Geflüchtete und ehrenamtliche Helfer im Begegnungscafé, das auch offen ist für weitere Interessierte. Kaffee und Tee, verschiedene Kuchen, Apfelschorle und Wasser standen bereit. Die zweite Stunde war fürs Spielen da.
Laut und quirlig geht es im großen Raum des ersten Stocks zu, lebhaft und bunt. Die letzten Hausaufgaben werden mit den Helfern in den verschiedenen Grüppchen noch abgeschlossen, die Schulsachen für das Wochenende weggeräumt. Zahlreiche Kinder aller Altersgruppen – von zwei bis 14 Jahren – sitzen an den Tischen, treffen Freunde, spielen. Deutsch ist unter ihnen die vorherrschende und überall gehörte Sprache. Akzentfrei meist und sogar durchsetzt mit schwäbischen Brocken. „Das klingt echt witzig“, sagt Johanna Traub, Integrationsmanagerin und zuständig für die Personengruppe in Anschlussunterbringung. Sie ist neben den ehrenamtlich Tätigen des Freundeskreises ebenfalls anwesend.
Das Reden in der neuen Sprache ist wichtig
Die Erwachsenen verteilen sich an den Tischen an den Fensterseiten, nützen die Zeit, um miteinander, um mit den Ehrenamtlichen zu reden, Kontakte zu knüpfen, Erkundigungen einzuholen. Zum ersten Mal dabei sind drei junge Frauen aus Guinea mit ihren kleinen Kindern aus der Gemeinschaftsunterkunft. Heute sind außerdem zwei Syrerinnen gekommen. Sie möchten im Organisationsteam tätig werden, die Ehrenamtlichen unterstützen und sind zum „Schnuppern“ da. Der Kontakt zu den Deutschen und den anderen Geflüchteten ist ihnen wichtig. Sie wissen beide, dass das Reden in der neuen Sprache notwendig ist und möchten daher mitarbeiten. Ein wichtiges Ereignis im Kreis der Helfer.
Dr. Hartmut Pernice, Leiter des Begegnungscafés, eröffnet die bunte Runde für diesen Nachmittag und stellt das Programm vor: Bilder vom Ausflug an den Bodensee werden gezeigt, von verschiedenen gemeinsamen Aktivitäten – und in der zweiten Stunde wird gespielt. Gut laufe der Treffpunkt mittlerweile, das Chaos von 2016 habe sich gelegt, sagt er. Die Stimmung sei „generell entspannt“. Allerdings sei es schwierig, die Geflüchteten in den verschiedenen Unterkünften und Wohnungen mit einfachen Mitteln zu erreichen und mit Informationen über kleine und größere Veranstaltungen in und um Riedlingen zu versorgen: „Es gibt kein Medium.“
Zum Begegnungscafé kommen daher meist nur die, die sowieso informiert sind. Ein Mal im Monat ist das Treffen hier. Seit etwa einem Jahr hat sich ein Programm etabliert mit wechselnden Themen, für Erwachsene und Kinder, getrennt oder gemeinsam. So wird es im Oktober die beliebte Kochaktion geben mit gemeinsamem Kochen und Essen, im November stehe das Thema Wohnen und Miete an, im Dezember „klassisch, der Nikolaus“, erzählt Helene Kopf, von der Caritas Biberach-Saulgau, zuständig auch für Riedlingen. Für sie ist das Begegnungscafé das „Herzstück“ der Arbeit um die Betreuung der Geflüchteten von den Ehrenamtlichen. Sie lobt besonders deren Aktivität: „Die, die bei der Stange sind, arbeiten mit großem Engagement weiter.“ In vielfältiger Hinsicht, unermüdlich. Der direkte Kontakt der Personengruppen sei wichtig. Froh wären alle jedoch über weitere Helfer. Und jeder, der sich hier engagieren möchte, könne selber Zeit und Aktion bestimmen; Offenheit gegenüber den Flüchtlingen sei die einzige Voraussetzung. Und Helene Kopf ergänzt: „Die Phase des Ankommens ist vorbei. Es ist jetzt der Zeitpunkt, wo man sich zusammentut und gemeinsam am Thema Integration arbeitet.“ Generell bestehe dazu eine hohe Bereitschaft der Geflüchteten, besonders hier im Begegnungscafé.
Auch Jürgen Kraft, Leiter des Amtes für Flüchtlinge und Integration im Landratsamt Biberach, lobt die gute Zusammenarbeit von Ehren- wie Hauptamtlichen, besonders in der Raumschaft um Riedlingen. Marlene Müller vom Freundeskreis hebt besonders lobend die Patenschaften und Einzelbetreuungen hervor: „Diejenigen, die ihre Familien zur Betreuung haben, sind mit Herzblut und viel Engagement dabei.“ Neue Helfer fehlten, beklagt auch sie. Liege es auch daran, dass die viel gelobte „Willkommenskultur bundesweit abgeflacht“ sei? Dabei seien immer noch zahlreiche Geflüchtete angewiesen auf Hilfe von Einheimischen, bei Behördengängen etwa, bei schulischen Angelegenheiten, bei der Arbeitssuche, bei Arztbesuchen. Oft ganz simple Dinge, die in Deutschland anders laufen als in den Herkunftsländern.
Integrationsmanager bauen Brücken
Um die neuen Riedlinger kümmern sich hauptamtlich die Integrationsmanager; ihr Büro ist im zweiten Stock, über dem Begegnungscafé. Beispielsweise Johanna Traub. Sie erstellt bei Bedarf einen Integrationsplan mit den Familien, den Einzelpersonen. Etwa 100 Flüchtlinge betreuen sie und die weiteren Mitarbeiter, von Neugeborenen bis zu über 50-Jährigen; Großeltern seien eher selten dabei. Sie als hauptamtliche Integrationsmanager sind „Vernetzer“. Sie stellen Kontakte her, unterbreiten Angebote, versuchen Brücken zu bauen: „Es geht in alle Lebensbereiche.“
Die Stimmung sei gut; „das Lebensgefühl“ steige, sobald die Geflüchteten nach der Gemeinschaftsunterkunft eine eigene Wohnung beziehen könnten. „Konfliktpotenzial“ gebe es eher in den Gemeinschaftsunterkünften mit Menschen aus unterschiedlichen Ländern, Kulturkreisen, mit unterschiedlichen Religionen. In Riedlingen halte es sich jedoch im Rahmen.
Die Kontakte zu den Einheimischen seien sehr wichtig, sagt auch Johanna Traub; Männer mit Arbeitsstellen täten sich dabei deutlich leichter als die Frauen. Am einfachsten hätten es die Kinder. Mit ihnen laufe es gut, sie kennten sich in Riedlingen aus. Und eine junge Frau aus Syrien, seit vier Monaten mit den Kindern beim Ehemann hier, freut sich über das Grün in und um Riedlingen, die frische Luft, die freundlichen Menschen – das geregelte, das friedliche Leben.
Unterschrift Foto: Die Buben freuen sich am Froschspiel im Begegnungscafé. Bild: Eva Winkhart, ©Schwäbische Zeitung