Ali Nuri ist häufiger Gast am Amtsgericht Riedlingen. Der 45-jährige Weingartener ist allerdings noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, vielmehr sorgt er dafür, dass die Beschuldigten dem Verfahren folgen können. Immer wieder sind seine Sprachkenntnisse als Dolmetscher gefragt – vor allem in den Sprachen der Flüchtlinge wie Persisch, Dari und Farsi. Vor 18 Jahren hat Ali Nuri vor dem Krieg im Irak selbst Zuflucht in Deutschland gesucht. An der Universität in Bagdad hatte der Kurde Arabisch, Persisch und und Englisch studiert und mit Diplom abgeschlossen. Ein Jahr lang waren dann im Irak seine Dienste als Dolmetscher und Reiseleiter für Touristen aus dem Iran gefragt. Sie führte er durch die alte schiitische Stadt Karbala. Im Nordirak war er für die Organisation Handicap tätig, die Menschen mit künstlichen Gliedmaßen versorgt. Vor allem Bauern, erzählt Nuri, waren betroffen, weil sie das Dorf verlassen, um nach ihrem Vieh zu schauen, und dann Opfer von Minen werden. Als er den Irak verließ, arbeitet der Kurde drei Monate in der Türkei für eine Flüchtlingsorganisation, dann ein Jahr in Griechenland: „Das war viel besser, viel freier.“ 2002 stellte er einen Asylantrag in Deutschland.
Kein Cent vom Staat
In Ravensburg arbeitete Nuri zunächst für eine Ravensburger Dachbaufirma, dann viele Jahre als Koch im „Kupferle“ – als einziger Ausländer unter deutschen Kollegen. Das Sprachtalent erlernte schnell die deutsche Sprache, schloss den Integrationskurs auf Niveau B1 ab. „Ich habe nie einen Cent vom Staat genommen“, betont Nuri, er habe auch nie das Arbeitsamt aufgesucht. Stattdessen besuchte er Fortbildungen als Dolmetscher und Kursleiter. 2015 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft. Den Job als Koch beendete er vor zwei Jahren.
Seitdem arbeitet er als Security unter anderem in der Notaufnahme der Ravensburger Oberschwabenklinik, wo seine Sprachkenntnisse auch gefragt sind. An der Volkshochschule Bodensee unterrichtet er mittlerweile Deutsche in Arabisch und Persisch. In die Kurse kommen Verwaltungsleute, die mit Flüchtlingen zu tun haben, Lehrer, Erzieherinnen und Betreuer, aber auch Touristen, die im Nahen Osten Urlaub machen wollen. „Wir reden nicht nur über die Sprache“, erzählt Nuri, „ich erkläre auch viel über Kultur und allgemeine Dinge.“ Das trage durchaus zu einem besseren Verständnis bei.
Seine Dolmetschertätigkeit in Deutschland hat Nuri beim Jugendamt begonnen. Dort seien seine Dienste jetzt weniger gefragt: „Die Jugendlichen lernen selbst Deutsch.“ Zugenommen hat dafür die Nachfrage der Justizbehörden, wenn es um Prozessbeteiligte geht, die Kurdisch, Persisch oder Arabisch sprechen. Er sei im weiten Umkreis wohl der einzige, der im kurdischen Dialekt Surani dolmetschen könne. Nuri kennt mittlerweile die Gerichte in Riedlingen, Sigmaringen und Biberach, auch die JVA in Ravensburg. Er eigne sich die juristische Terminologie an, müsse aber auch immer noch die Sprachkenntnisse auf dem Laufenden halten: „Mit der Zeit verliert man die Sprache, außer der Muttersprache.“ Er versuche deshalb auch Kontakt zu Menschen zu halten, die nicht Deutsch sprechen. „Arabisch kann ich besser als meine Muttersprache“, sagt Nuri, „besser als die Araber selbst“. Das habe er von der Grundschule bis zum Uni-Abschluss gelernt. Dari, ein afghanischer Dialekt, und Kurdisch seien am meisten gefragt.
Auch im ehrenamtlichen Bereich ist Ali Nuri gefragt – und kommt dem gerne nach. Er ist überzeugt: „Ich kann das Leben für Flüchtlinge einfacher machen.“ Was noch an Zeit übrig ist, verwendet er vorzugsweise seinem liebsten Hobby: Bodybuilding.
Unterschrift Foto: Ali Nuris Dienste als Dolmetscher sind am Amtzsgericht immer wieder gefragt Bild: Berthold Rueß, ©Schwäbische Zeitung