„Laupheim steht zusammen. Nie wieder ist jetzt“ ist das Motto der Kundgebung in Laupheim gewesen. So lief die Veranstaltung ab.
„Laupheim steht zusammen. Nie wieder ist jetzt“ - unter diesem Motto haben mehrere Hundert Menschen am Samstag bei einer Kundgebung für Demokratie, Freiheit und Vielfalt demonstriert. Organisiert hatten die Veranstaltung auf dem Rathausvorplatz, bei der Vertreter aus Politik und Gesellschaft sprachen, die Laupheimerinnen Nicole Bruder, von der Initiative „Laupheim - wir helfen gerne“, und Michaela Barth, Administratorin der Facebookgruppe „Wir lieben Laupheim, wer noch?“. Viele folgten dem Aufruf und positionierten sich mit Plakaten gegen rechtsextremes Gedankengut.
Kurz vor 15 Uhr strömten immer mehr Menschen auf den Rathausvorplatz. „Wir stehen für Vielfalt, Frieden und Demokratie“, begrüßte Organisatorin Nicole Bruder die Demonstranten. Viele von ihnen hatten selbst gebastelte Schilder mitgebracht. Mit Sätzen wie „Herz statt Hetze“, „Menschenrechte, statt rechte Menschen“ und „Wir sind bunt, nicht braun“ positionieren sich die Menschen gegen rechtsextreme Strömungen in der Gesellschaft.
Nach ähnlichen Demonstrationen in Ulm und Biberach habe es in Laupheim früh Überlegungen gegeben, ein deutliches Zeichen für Demokratie, Toleranz und vor allem gegen Rechtsextremismus zu setzen, betonten die beiden Organisatorinnen.
Auslöser für die deutschlandweiten Demonstrationen sind Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv über ein Treffen von AfD-Politikern sowie Mitgliedern der konservativen Werteunion der CDU in einer Potsdamer Villa. Bei diesem wurden Pläne für die massenhafte Vertreibung von Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund vorgestellt.
Die Rechtsextremisten würden ihre Pläne als „unverbindlich und harmlos“ verkaufen, dabei gehe es um eine geplante Deportation von Menschen mit und ohne deutschen Pass. „Es ist fünf vor zwölf, da gibt es nichts mehr schönzureden“, sagte Bruder in ihrer Rede. Zu lange sei die Demokratie als eine Selbstverständlichkeit betrachtet worden.
„Nie wieder ist jetzt“, sagte Landrat Mario Glaser. Dieser Satz gelte jetzt noch stärker als vor rund drei Wochen. Damals zogen die Menschen in Biberach für die Demokratie auf die Straße. „Leider hat sich am Mittwoch in Biberach gezeigt, dass nicht nur friedlich demonstriert wird“, sagte Glaser.
Dass Einzelne mit Gegröle, Blockaden und Gewalt den politischen Aschermittwoch der Grünen verhindert hätten, mache ihn traurig und dürfe nicht toleriert werden - gleichzeitig warnte er vor Pauschalisierungen. „Es waren nicht ,die Bauern’, sondern einige Wenige“ betonte Glaser. Dass die Absage der grünen Veranstaltung bejubelt wurde, bezeichnete der Landrat als „Niederlage für unsere Demokratie“.
„Oberbürgermeister Ingo Bergmann und ich stehen hier zusammen für die Stadt und den Landkreis, um zu zeigen, dass Gewalt und dumpfer Populismus bei uns keinen Platz haben.“ In seiner Rede betonte Glaser, dass es auf komplexe Herausforderungen unserer Tage keine einfachen Antworten gebe.
Falschinformationen und tendenziöse Berichte würden das Diskussionsklima vergiften. Schwarz-Weiß-Denken führe dazu, dass die Realität stark vereinfacht werde. „Ich glaube sogar, dass wir inzwischen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Realitäten leben.“
Dabei lebe die Demokratie vom sachlichen Diskurs, betonte der Landrat. Grundlage für das Miteinander und „sozialer Kit unserer Gesellschaft“ sei das Grundgesetz, das im Mai 75 Jahre alt wird. Wer Partikularinteressen über das Gemeinwohl stelle, verliere das große Ganze aus dem Blick. Es brauche deshalb den Schritt aufeinander zu. Gleichzeitig müsse man sich entschieden gegen Hass, Gewalt und Pöbeleien stellen und eindeutig distanzieren.
„Hier auf dem Rathausplatz steht der Beweis, dass nicht die Anhänger völkischer Ideen mit ihren Umsturzfantasien die Mehrheit sind. Das sind wir“, sagte OB Ingo Bergmann. Er stellte der Blut-und-Boden-Ideologie Rechtsextremer einen Lokalpatriotismus gegenüber, „einen wie ihn die rechten Stimmungsmacher nie verstehen werden“.
In Laupheim zeige sich dies am Kinder- und Heimatfest. Alle Laupheimerinnen und Laupheimer, egal ob zugezogen oder seit vielen Generationen in der Stadt lebend und unabhängig welcher Staatsbürgerschaft, würden für ein Ziel zusammenarbeiten - für Bergmann hat dies Vorbildcharakter.
Er verwies auch auf Laupheims besondere Historie. „Vor genau 300 Jahren begann die Ansiedlung jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in Laupheim.“ Die Geschichte vom gemeinsamen Aufbau der Stadt durch Juden und Christen und die Auslöschung der jüdischen Gemeinde im Nationalsozialismus führe die neue Dauerausstellung im Museum vor Augen. „Wir sehen, wie die Dunkelheit der Intoleranz und des Extremismus über unsere Gesellschaft hereinbrach“, betonte der OB.
„Wir lassen nicht zu, dass die Geschichte sich wiederholt“, rief der OB den Menschen zu. Er appellierte, dass die Menschen sich trotz unterschiedlicher Lebenswelten für eine demokratische Gesellschaft einsetzen sollten. Gleichzeitig übte er Kritik, dass die Politik den Bürgern ihre Entscheidungen besser vermitteln müsse.
Julia Blessing, Beauftragte der kirchlich-diakonischen Flüchtlingsarbeit, gab einen Einblick in die Arbeit der ökumenischen Migrationsarbeit von Caritas und Diakonie. Sie zeigte sich besorgt über die Zunahme rechtsextremer Ansichten in der Bevölkerung. „Für Menschenrechte einzustehen, wird infrage gestellt. Geflüchtete werden massiv entrechtet, sie und Menschen, die sie unterstützen, werden zunehmend kriminalisiert“, sagte Blessing. Sie appellierte, Geflüchtete aktiv zu unterstützen.
Pfarrerin Margot Lenz von der evangelischen Kirchengemeinde Laupheim sagte, dass die christliche Kirche eine Gemeinschaft sei, welche die Grenzen von Herkunft und Nationalität überschreite. Sie kritisierte scharf, dass sich Rechtspopulisten der Religion bedienten, um ihren Hass zu legitimieren. „Wir setzen uns ein, damit rassistische und antisemitische Einstellungen bei uns keinen Ort haben.“
An eine Veranstaltung in Laupheim vor 100 Jahren erinnerte Elisabeth Linke, Vorsitzende der Gesellschaft für Geschichte und Gedenken. Am 22. Juni 1924 demonstrierten die Laupheimer gegen die Angriffe der NSDAP-Ortsgruppe auf eine Veranstaltung der jüdischen Gemeinde im Kronensaal. „Nach 100 Jahren ist wieder ein Zeichen der Solidarität nötig“, sagte Linke. In Laupheim könne man sehen, wie Ausgrenzung und das Schweigen der Mehrheitsgesellschaft in eine Katastrophe führten.
In weiteren Reden verurteilten die anwesenden Vertreter der Politik die Vorfälle am Aschermittwoch in Biberach scharf. Ihre Eindrücke der Veranstaltung schilderte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Anja Reinalter. Die gewaltgeladene Stimmung, die von Rechtsextremen vor der Stadthalle ausgegangen sei, bezeichnete sie als „harten Tag für die Demokratie“. „Wir brauchen eine starke Brandmauer gegen rechts“, forderte Reinalter. Sie erinnerte daran, dass rund ein Drittel der Laupheimer eine Migrationsgeschichte haben: „Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es ohne euch wäre!“
Besorgt über den starken Zuspruch für die AfD zeigte sich CDU-Landtagsabgeordneter Thomas Dörflinger. Den Schlüssel, um extremen Parteien zu begegnen, hätten die Verantwortlichen in der Politik aber selbst in der Hand. „Darunter verstehe ich eine Politik, die die Ängste und Befürchtungen der Menschen ernst nimmt, die erklärt und nicht bevormundet“, sagte Dörflinger. Er warnte, nun diejenigen Landwirte, die friedlich für ihre Anliegen protestiert hätten, in einen Topf mit Extremisten zu werfen.
„Wir alle sagen ,nein’ zu Rechtsextremismus, Gewalt und Hass in unserer Gesellschaft“, sagte SPD-Bundestagsabgeordneter Martin Gerster und bezog sich auf ein überparteiliches Bündnis für Demokratie, dem sich in Baden-Württemberg inzwischen mehr als 100 Verbände und Gruppen angeschlossen haben. Es mache Hoffnung, dass die Menschen in vielen Städten und Orten gegen Rechtsextremismus ihre Stimme erheben würden. „Jeden Tag müssen wir uns mit viel Mut gegen Demokratiefeinde engagieren.“
Die Veranstalterinnen zogen nach der Demo eine positive Bilanz. Die Kundgebung sei friedlich verlaufen. Die Organisatoren haben deutlich mehr Ordner als vorgeschrieben eingesetzt, auch die Polizei war mit zahlreichen Einsatzkräften vor Ort, um einen sicheren Ablauf zu gewährleisten. Die Organisatoren schätzen die Teilnehmerzahl auf knapp 1000 Menschen; die Polizei auf knapp 500.
Das Publikum habe sich aus Menschen aller Altersgruppen zusammengesetzt, betont Bruder. Sich für die Demo ausgesprochen haben sich namentlich auch rund 30 Unternehmen aus Laupheim. Musikalisch umrahmt wurde die Kundgebung von Norbert Kugler. Er hatte extra für diesen Tag den Song der Toten Hosen „Willkommen in Deutschland“ auf die Veranstaltung angepasst und eine Erlaubnis von deren Management eingeholt.
Unterschrift Foto: Hunderte Menschen haben am Samstag bei einer Kundgebung in Laupheim ein Zeichen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus gesetzt. Bild: Christian Reichl, ©Christian Reichl