sz-online-20151015-biberach-planb.jpg

    Kreisverwaltung arbeitet auch an Notfallplan zur Unterbringung von Flüchtlingen

    Biberach, 15.10.2015 (Andreas Wagner, ©Schwäbische Zeitung)

    Der anhaltende Flüchtlingsstrom treibt den Landkreis Biberach vor sich her. „Der Druck im Kessel ist unheimlich hoch“, sagte die Kreis-Sozialdezernentin Petra Alger in der Sitzung des Kreistags. Seit Monaten sucht die Kreisverwaltung händeringend nach Unterbringungsmöglichkeiten für die aus den Erstaufnahmestellen des Landes kommenden Menschen. Bis Jahresende rechnet man damit, die geforderte Zahl an Plätzen in Gemeinschaftsunterkünften zu erfüllen, doch was 2016 kommt, ist offen. Die Verwaltung arbeitet deshalb auch an einem Notfallplan.

    „Wir sind kaum in der Lage, in der bisherigen Taktung weiterzumachen“, betonte Alger. Vor gut einem Jahr war der Landkreis für 2015 von 800 Flüchtlingen ausgegangen, nach den bisher letzten offiziellen Zahlen des Bundes von September ist, auf Biberach heruntergerechnet, mit knapp 2100 Ankömmlingen zu rechnen. Zusammen mit den bereits Ende 2014 im Kreis lebenden Flüchtlingen kommt man auf bis zu 2700 Personen. Aktuell gibt es laut Alger im Kreis Biberach rund 1740 Plätze in Gemeinschaftsunterkünften – womit deutlich wird, dass in den verbleibenden zweieinhalb Monaten noch einiges an Arbeit auf die Verwaltung wartet.

    Ob die knapp 2100 aufzunehmenden Flüchtlinge das letzte Wort für 2015 sind, ist offen. Und dass sich 2016 die Situation entspannt, ist mehr als fraglich. „Die Welt wird an Weihnachten und Neujahr nicht stillstehen, es wird weitergehen“, sagte Landrat Heiko Schmid. „Die Landeserstaufnahmestellen platzen aus allen Nähten und sie können von dort nicht so schnell zuweisen, wie die Leute nachkommen.“ Man werde alles tun, um keine Zelte aufstellen zu müssen und um zu vermeiden, dass die kreiseigene BSZ-Halle in Biberach belegt werde, so Schmid. „Denn damit würde viel zusammenbrechen.“

    Ausschließen für 2016 kann das momentan niemand. „Wir haben für 2016 kein Objekt mehr in der Pipeline“, sagte Alger. Man sei an einigen Objekten dran, „aber das ist sehr vage“. Deshalb erarbeitet der Landkreis auch einen „Plan B“. Alger: „Wir wollen nicht in die Situation kommen, keinen Notfallplan in der Schublade zu haben.“ Darunter fallen die kreiseigenen Liegenschaften, wobei diese überschaubar sind: darunter sind die BSZ-Halle und eine Halle in Riedlingen, die belegt werden könnten.

    Denkbar ist auch, dass der vom Kreistag einstimmig beschlossene erste Bau einer Gemeinschaftsunterkunft in Laupheim für 80 Flüchtlinge (die Wahl fiel auf ein Modell in Modulbauweise und das mit 1,79 Millionen Euro günstigste Angebot) nicht der letzte sein wird. Kreis-Pressesprecher Bernd Schwarzendorfer und der für Finanzen und Kreiseinrichtungen zuständige Dezernent Ralf Miller sprachen von einem angestrebten „Mix aus Eigentum und Anmietung“, wobei unter Eigentum sowohl Kauf als auch Neubau fällt.

    „Was noch auf uns zukommen könnte, das Worst-Case-Szenario, macht mich sprachlos“, sagte Alexandra Scherer (CDU) im Kreistag. Die Erlenmooser Bürgermeisterin „erwartet Signale, dass nur Menschen mit einer Bleibeperspektive in den Kreisen und Kommunen ankommen.“ Dies trifft derzeit schon auf die überwiegende Zahl an Flüchtlingen zu, Sozialdezernentin Alger sprach von 80 bis 90 Prozent. Elmar Braun (Grüne/ÖDP) mahnte, auch die „schweigende Mehrheit der Bevölkerung, die nichts mit dem Thema zu tun hat“, mitzunehmen. „Vor 20 Jahren hatten wir eine ähnliche Situation und am Ende hatten wir nicht mehr die gesamte Bürgerschaft auf unserer Seite.“ Thomas Fettback (SPD) sprach davon, „dass wir einen ,Plan B’ brauchen, wenn es so weitergeht“. Es werde Veränderungen geben und Veränderungen riefen nicht nur Freude hervor. Die Ankunft von Flüchtlingen könne auch eine Bereicherung sein – in vielerlei Hinsicht. „Das bürgerschaftliche Engagement, das wie Pilze aus dem Boden schießt, ist sehr positiv.“

    Durch die Bank würdigten die Vertreter der Fraktionen und Parteien im Kreistag die Anstrengungen des Landkreises, aber auch das Engagement der hauptamtlichen Kräfte von Organisationen der Flüchtlingshilfe und der vielen Ehrenamtlichen vor Ort.

    Unterschrift Foto: Findet das Landratsamt keine passenden Immobilien, könnte „Plan B“ greifen und die Biberacher BSZ-Halle, unter anderem Austragungsort der Hallenfußball-Kreismeisterschaften würden als kreiseigene Liegenschaft als Flüchtlingsunterkunft infrage kommen Bild: Archiv:Volker Strohmaier, ©Schwäbische Zeitung