Seit März gibt es an der Pädagogischen Hochschule das IGEL-Projekt. IGEL steht für „Integration geflüchteter Lehrkräfte in die Lehrerausbildung“. Die wissenschaftliche Leitung hat Professor Katja Kansteiner inne, aus dem Fachbereich Erziehungswissenschaften. Um die koordinativen Aufgaben kümmert sich Roswitha Klepser. Im Interview mit SZ-Redakteurin Katrin Bölstler erklärt Klepser, was sie aus den Erfahrungen mit dem ersten Jahrgang gelernt haben.
Frau Klepser, warum bildet die Pädagogische Hochschule Weingarten Flüchtlinge zu Lehrern aus?
Wir haben in Deutschland einen Lehrermangel, der sich in den nächsten Jahren noch verstärken wird. Insofern haben wir ein großes Interesse daran, Menschen aus aller Welt, die bereits einen Bachelor in einem für die deutsche Schule relevantes Lehrfach vorweisen können, so auszubilden, dass sie auch in Deutschland unterrichten können. Wir machen sie fit für das deutsche Bildungssystem.
Wie gut funktioniert das in der Praxis?
Die IGEL-Teilnehmer bringen zu Beginn des IGEL-Projekts alle ein gutes Alltagsdeutsch auf B2-Niveau mit. Um jedoch wissenschaftliche Texte im Studium verstehen und interpretieren zu können, reicht das nicht. Im Vorkurs bereiten Dozierende mit Unterstützung durch Buddies sprachsensibel die IGEL auf das Verstehen von Bildungssprache vor. Erst nach dem Bestehen einer schriftlichen und mündlichen Prüfung als Abschluss des Vorkurses können die IGEL am Regelsemesterbetrieb teilnehmen oder sie belegen einen weiteren Sprachkurs, um den Anforderungen des Studiums zu entsprechen. Unsere Buddies Anika, Tina und Vidya unterstützen die IGEL in Lerngruppen beim Nachbereiten von Vorlesungen und Seminaren. Das ist sehr wichtig, denn ohne diese Unterstützung ist es sehr schwierig, überhaupt eine anspruchsvolle Prüfung zu bestehen. Außerdem ist es unerlässlich, dass alle Teilnehmer auch zuhause viel lernen. In Gesprächen mit den IGELN über das Studium in den Heimatländern erfuhren wir, dass im Studium oft kein Wert auf Diskussionen, das Mitdenken und sich selbst eine Meinung zu dem Erlernten zu bilden, gelegt wurde. Bei uns ist das aber unerlässlich. Auch das müssen wir ihnen erarbeiten.
Wie gut gelingt es den Flüchtlingen, zuhause sich die Studieninhalte zu erschließen?
Das ist ganz unterschiedlich. Was den Lernprozess erschwert, ist, dass die Flüchtlinge in der ersten Gruppe eigentlich alle über 30 Jahre alt waren. Und das bedeutet, sie bekommen nach den jetzigen Richtlinien kein BaföG mehr - und als Studenten auch kein Geld mehr vom Jobcenter. Das wiederum bedeutet, sie müssen für ihren Lebensunterhalt arbeiten gehen – und diese Zeit fehlt ihnen beim Lernen. Wenn wir also wollen, dass qualifizierte Flüchtlinge mit akademischer Ausbildung schneller dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, brauchen diese eine finanzielle Unterstützung. Diese Entscheidung muss die Politik treffen, und zwar auf Bundesebene.
Welche Grundvoraussetzungen müssen die Teilnehmer mitbringen?
Sie müssen mithilfe von Dokumenten nachweisen können, dass sie zuhause mit Bachelor-Abschluss ein Fach studiert haben, dass sie dann hier unterrichten können. Zudem führen wir ein Bewerbungsgespräch durch. Vor dem Start des Vorkurses erfolgt eine Potenzialanalyse zum Erfassender der Sprachkompetenz. Dem Vorkurs folgt dann das Lehramtsstudium, das mit einem Masterabschluss in zwei Fächern endet. In Deutschland ist es Pflicht, dass jede Lehrkraft zwei Fächer studiert hat. Wäre es nur ein Fach, stünden die IGEL-Teilnehmer dem Arbeitsmarkt deutlich schneller zur Verfügung.
Unterschrift Foto: Roswitha Klepser ist zuständig für die Koordination des Projekts an der PH Weingarten. Bild: Katrin Bölstler, ©Schwäbische Zeitung