Ertingen, 11.11.2015 (Kerstin Schellhorn, ©Schwäbische Zeitung)
Rund 1100 Flüchtlinge werden noch bis Ende des Jahres im Landkreis Biberach ankommen. Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Unterkünfte schwindet jedoch. Ertingen hat dem Landratsamt nun zwei Grundstücke für den Bau einer Gemeinschaftsunterkunft vorgeschlagen. Außerdem sollen ein oder zwei Gebäude für die Anschlussunterbringung der Menschen gebaut werden.
Wie Bürgermeister Jürgen Köhler in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats bekannt gab, hatte Landrat Heiko Schmid Ende Oktober zum Gespräch gebeten. Eingeladen waren diejenigen Bürgermeister, in deren Gemeinden noch keine Gemeinschaftsunterkünfte vorhanden sind. „Wir wollen mit allen Mitteln eine Belegung von Sporthallen vermeiden“, hatte Schmid gesagt. „Dazu braucht es vor allem Ihre Mithilfe.“
Die Ertinger Verwaltung hat dem Landratsamt nun zwei Grundstücke vorgeschlagen, auf denen eine Gemeinschaftsunterkunft entstehen könnte: das Gewerbegebiet „Westlich der Bahn“ und das Gewann „Teller“. Für eine der beiden Flächen wolle sich das Amt entscheiden, erklärte Köhler. Derzeit würde darüber beraten. Wie die Unterkunft aussehen soll, ist noch unklar. Entweder werden Wohncontainer aufgestellt oder – sollten keine Container mehr zur Verfügung stehen – es wird mit sogenannten Modulen gebaut.
Jedes dieser Module ist aufgebaut wie eine kleine Wohnung mit separatem Eingang und bietet auf rund 72 Quadratmetern Platz für vier bis sechs Personen. Die Module können nebeneinander, aber auch übereinander angeordnet werden. 40 bis 60 Flüchtlinge sollen in der vorgesehenen Gemeinschaftsunterkunft unterkommen. Das heißt, es würden etwa zehn dieser Module benötigt.
„Wenn man baut, dauert das ja bis Mitte 2016 bis das fertig ist. Wo kommen die Flüchtlinge dann bis dahin unter?“, fragte Gemeinderat Gerhard Binder. Der Bürgermeister entgegnete, dass das Landratsamt deshalb die Verfahren für die Unterbringung gelockert hat.
Gemeinderat Hans Obert erkundigte sich, ob die Gemeinde weniger Menschen in der Anschlussunterbringung aufnehmen muss, wenn eine Gemeinschaftsunterkunft eingerichtet wird. Köhler erklärte, dass so oder so völlig offen sei, wie viele Flüchtlinge Ertingen in der Anschlussunterbringung aufnehmen müsse. Gleichzeitig betonte er: „Wenn wir bei der Gemeinschaftsunterkunft nicht mitmachen, besteht die Gefahr, dass auf die Kultur- und Sporthalle zurückgegriffen wird.“ Es sei nunmal eine Notlage. Die Gemeinderäte stimmten einer Gemeinschaftsunterkunft auf einem der beiden zur Wahl stehenden Grundstücke geschlossen zu. Hernach hatten sie aber noch über ein weiteres Großprojekt zu entscheiden.
Bereits jetzt steht fest, dass Ertingen im nächsten Jahr 42 Flüchtlinge in der Anschlussunterbringung aufnehmen muss. Gerechnet werden müsse aber mit mehr, sagte Köhler. „Die Gebäude in der Gemeinde werden dafür nicht ausreichen.“ Deshalb habe die Verwaltung vor, ein oder zwei Gebäude zu bauen, in denen rund 60 Personen unterkommen können. Dafür wolle man baldmöglichst entsprechende Anträge zur finanziellen Förderung stellen.
Der Bund bietet dazu zwei Möglichkeiten an: einen zinslosen Kredit der KfW-Bank oder ein Sonderprogramm des Bundes, über das 25 Prozent der Baukosten finanziert werden können, maximal jedoch 3000 Euro pro Quadratmeter.
Kämmerin Elisabeth Haupter erklärte jedoch, dass der KfW-Kredit derzeit überzeichnet sei und kein Geld ausgezahlt werde. Und auch der 25-Prozent-Fördertopf sei momentan ausgeschöpft. Beides soll aber wieder aufgestockt werden.
Ortsbaumeister Manfred Fiederer rechnet für den Bau der Gebäude – ebenfalls in Modulbauweise – mit Kosten in Höhe von 1,2 bis 1,5 Millionen Euro. Diese sollen im Haushaltsplan 2016 berücksichtigt werden. Kämmerin Haupter sagte jedoch ganz klar: „Die Finanzplanung sieht schlecht aus. Aber wir müssen das Projekt unterbringen, egal wie.“ Es sei deshalb möglich, dass im Haushalt etwas Anderes hinten angestellt werden müsse, ergänzte Bürgermeister Köhler.
Die Gemeinderäte diskutierten kontrovers, ob und wie gebaut werden solle. Gemeinderätin und Architektin Sabine Kunze etwa wies auf die Gefahr der Ghettoisierung hin, wenn man beim Bau nicht auf gewisse Qualitätsstandards des sozialen Wohnungsbaus achte.
Ortsbaumeister Fiederer stellte daraufhin klar: „Zum Einen müssen wir die Flüchtlinge unterbringen, zum Anderen auf unseren Haushalt schauen. Da ist normaler sozialer Wohnungsbau nicht mehr bezahlbar.“ Die Räte stimmten dem Bau der Gebäude grundsätzlich zu und ermächtigten die Verwaltung einstimmig, die Förderanträge zu stellen. Darüber hinaus wird die Finanzierung in den Haushaltsplan 2016 aufgenommen.
Anschlussunterbringung: Wohnungen, in denen Flüchtlingsfamilien, aber auch Einzelpersonen untergebracht werden, wenn sie nicht länger in einer Gemeinschaftsunterkunft bleiben können.
Unterschrift Foto: Dass Flüchtlinge wie hier in Schleswig-Holstein in einer Turnhalle untergebracht werden müssen, will das Biberacher Landratsamt unbedingt vermeiden. Deshalb müssen Gemeinden wie Ertingen Wohnraum bereitstellen Bild: Markus Scholz, ©dpa