Biberach sz
„Die dunkelste Ecke“ heißt das Theaterstück, das die beiden Syrer Feras Al-Ouf und Ward Al Dimashqi in der Jugendkunstschule in Biberach aufgeführt haben. Es ist ein Stück ohne Worte. Es zeigt auf brutale Art und Weise, was gerade in Syrien passiert. Am Ende ist das Publikum selbst sprachlos. Im Januar wird das wortlose Theater erneut im Komödienhaus in Biberach gespielt.
Innerhalb von 20 Minuten werden die Zuschauer in eine Welt voller Gewalt, Hass und Brutalität entführt. Keiner spricht, lediglich laute Herztöne sind zu Beginn im dunklen Raum der Jugendkunstschule zu hören. Dann ertönt das Zwitschern von Vögeln, Kinder spielen. Sie schreiben das Wort Freiheit auf ein Blatt Papier. Das Geräusch, lauter Schritte mit schweren Stiefeln, kommt näher. Ein Soldat, gespielt von Feras Al-Ouf, betritt die Bühne. Er sieht böse aus, spielt mit einem Messer in der Hand, zerbricht den Stift und tötet ein Kind. Die anderen wollen das Kind retten, doch die Soldaten kommen und töten auch sie. So beginnt der Krieg.
„Es tut uns sehr leid, dass wir euch diese harten Szenen zeigen mussten“, sagt Sophia Alshihabi aus Damaskus. „Aber es ist halt die Wahrheit.“ Die 16-Jährige lebt seit zwei Jahren in Deutschland, sie hat ihre Liebe zum Theater entdeckt und möchte damit auch eine Botschaft an die Menschen senden: „Das hier ist der Grund, warum viele Menschen hierher kommen. Wir zeigen euch das, was die internationalen Medien nicht zeigen. Das ist, was wirklich in Syrien passiert“, sagt sie mit Tränen in den Augen. „Wir zeigen euch die dunkelste Ecke, diese eine Ecke, wo gar kein Licht hinkommt.“
Im Stück zeigen die Schauspieler, wie Bürger in syrischen Gefängnissen gefoltert und bestraft werden. Sie zeigen die Vergewaltigung von Frauen in Gefängnissen, die sich nicht wehren können und ihrem Peiniger hilflos ausgesetzt sind. Ein Mädchen liegt zusammengekauert auf der Bühne, schluchzt und weint. Es kommen auch chemische Waffen zum Einsatz, die Menschen ersticken qualvoll und lassen das Publikum an ihren letzten Atemzügen teilhaben. Am Ende werden sie mit weißen Tüchern bedeckt, aber für die Soldaten bleibt noch Zeit für ein Selfie.
Unterlegt werden die Szenen mit Geräuschen von um Hilfe schreienden Menschen, das hämmernde Geräusch eines klopfenden Herzens kommt immer wieder, Maschinengewehre ballern und Hubschrauber kreisen in der Luft. Mitten in der Juks in Biberach kommt man an diesem Abend den Geräuschen des Krieges sehr nahe. Beängstigend, erschreckend und traurig. Die Wirkung des Stücks ist beeindruckend. Die jungen Schauspieler spielen ihre Rollen perfekt. Die meisten der 20 jungen Schauspieler kommen aus Syrien. Sie haben das, was auf der Bühne passiert, teilweise selbst erlebt. Sie wissen, wie grausam Krieg ist. Sie wollen den Menschen in Biberach und am liebsten in ganz Deutschland zeigen, warum sie ihre Heimat verlassen mussten. „Nicht weil wir es wollten, sondern weil wir keine Wahl hatten“, sagt Sophia Alshihabi. Sie musste bei jeder Probe, bei jeder Aufführung weinen: „Es ist schrecklich, vor allem die Geräusche von den Maschinengewehren machen mir Angst“, sagt die junge Schauspielerin. „Es ist sehr hart, das zu spielen, das alles wieder zu fühlen, was ich selbst erlebt habe. Es tut immer weh.“ Ihr ist es aber wichtig, den Menschen zu zeigen, was wirklich passiert ist. „Denn viele schimpfen immer nur über uns Flüchtlinge. Hier ist eine kleine Antwort darauf, warum wir Flüchtlinge sind und warum wir Flüchtlinge heißen.“
Die Idee zum Stück hatte der in Biberach lebende Syrer Feras Al-Ouf. Regie führte Ward Al Dimashqi, der in Wien als Regisseur arbeitet. Gemeinsam mit einem 20-köpfigen Team aus Syrien, Kurdistan, der Türkei und Deutschland wurde dieses bewegende Theaterstück ohne Worte umgesetzt.
Unterstützt wird das Projekt von der Jugendkunstschule Biberach und der städtischen Integrationsbeauftragten. Weitere Aufführungen gibt es am 20., 21. Und 22. Januar, jeweils um 19 Uhr, im Komödienhaus in Biberach. Der Eintritt ist frei, die Schauspieler freuen sich über eine Spende.
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