Mietingen sz
Seit einem Jahr leben Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft des Landkreises Biberach in Mietingen. Wie hat sich das Zusammenleben zwischen Neuankömmlingen und Einwohnern entwickelt? Bei Kaffee und Kuchen mit den 30 in Mietingen lebenden Flüchtlingen sowie Bürgern im Don-Bosco-Haus ist die „Schwäbische Zeitung“ dieser Frage nachgegangen.
Vor einem Jahr herrschte auf beiden Seiten eine gewisse Unsicherheit, vor allem konnte man sich sprachlich kaum austauschen. Vieles hat sich in der Zwischenzeit getan. Eine Verständigung in deutscher Sprache ist jetzt möglich. Die Sozialarbeiterin Patricia Wörz bestätigt die Fortschritte: „Ich spreche nur noch Deutsch mit ihnen.“ Man merke, dass es Unterstützung durch Ehrenamtliche gibt, sagt Wörz. „Man könnte mit einigen mittlerweile in ein Vorstellungsgespräch gehen, das ganz in deutscher Sprache abläuft.“ Einen Deutschkurs haben alle hinter sich. Ein Integrationskurs steht rechtlich nur der Familie aus Syrien und zwei Männern aus dem Iran zu.
Erste Joberfahrung gesammelt
Auch die in Mietingen gestrandeten Analphabeten machen nach Angaben des Helferkreises große sprachliche Fortschritte. Beim Spracherwerb sind die acht Kinder, die Schule oder Kindergarten besuchen, gegenüber den Erwachsenen im Vorteil. Einige machen sich einen Spaß daraus, mit Schwäbisch zu glänzen. Alle Schüler besuchen derzeit Vorbereitungsklassen und werden im neuen Schuljahr in Regelklassen eingegliedert. Drei Jugendliche sind an der Kilian-von-Steiner-Schule in einer Vabo-Klasse (Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf für Jugendliche ohne Deutschkenntnisse). Drei junge Flüchtlinge arbeiten nach Angaben von Wörz in einer Bäckerei beziehungsweise in einer Metzgerei. Drei Männer verdienen sich ihre ersten Euros bei einer Flüchtlings-Integrationsmaßnahme zu einem Stundenlohn von 80 Cent. Sie sollen die Arbeitswelt kennenlernen.
Derzeit müssen die Flüchtlinge der Reihe nach ihre Asylanträge beim Bundesamt für Integration und Flüchtlinge (Bamf) erläutern und begründen. Erste Bescheide wurden bereits von der Behörde versandt. Es gibt vorläufige Anerkennungsbescheide wie auch Ablehnungen. Nicht immer können die Beschlüsse nachvollzogen werden. Beispielsweise, wenn bei zwei Brüdern mit demselben Schicksal – nämlich Bedrohung für das Leben durch Taliban – bei dem einen ein positiver Entscheid ergeht, beim anderen dagegen der Asylantrag abgelehnt wird.
Paten sind gefordert
Einen wichtigen Dienst beim Bemühen, im fremden Land einen Neustart hinzubekommen, leistet der Helferkreis Integration der Gemeinde Mietingen. Hier wiederum sind es die Paten, die gefordert sind. Zu ihnen gehören beispielsweise Sabine Dingler und Joachim Ibscher. Lang ist die Liste ihrer Tätigkeiten: Begleitung bei Behördengängen oder Arztbesuchen, Fahrdienste oder einfach mit Rat und Tat zur Seite stehen. „Es ist ein freundschaftliches Verhältnis entstanden“, sagt Ibscher. Unterstützung im Paragraphendschungel gewährt Rudolf Hartmann. Bei ihm und seiner Familie bedankte sich beim Asylcafé die Mutter der sechsköpfigen Familie Najafi in einer kurzen Ansprache. Zweimal wöchentlich erhalten die Schulkinder durch den Helferkreis Unterstützung bei den Hausaufgaben und dem Kennenlernen der deutschen Kultur.
Eine große Hilfe bei der Integration ist der Sport. Da wurde in Mietingen einiges erreicht. Lieblingssport ist Fußball. Bei den Bambini, wie der E- und A-Jugend, sowie den Alten Herren sind die Neuankömmlinge vertreten. Auch bei Volleyball und bei den Stepperinnen mischen einige mit. Auf dem Programm des Helferkreises stehen ebenfalls Freizeitangebote.
Die beiden Sozialarbeiterinnen des Landratsamts und der Diakonie, Patricia Wörz und Angelika Zanzinger, sehen die Flüchtlingsgruppe in der Gemeinde auf einem guten Weg: „Die anfängliche Skepsis in der Gemeinde hat sich gelegt.“ Die Mischung von Jung und Alt im Arbeitskreis sei vorteilhaft. „Wir hoffen, dass in zwölf Monaten alle ihren Asylbescheid haben.“ Die Flüchtlinge könnten sich dann ganz auf die Integration konzentrieren.
Flüchtlinge fühlen sich wohl
Laut Umfrage fühlen sich die Flüchtlinge in Mietingen gut aufgehoben. „Ich fühle mich sehr gut“, schreibt etwa Ramin Amini, „ich bin dankbar und bedanke mich beim Helferkreis.“ Die vierfache Mutter Suzan al Obaid: „Alles ist bestens.“ Mohamad Jawad Haidary findet: „Die Leute in Mietingen sind sehr nett.“ Er wünscht sich an erster Stelle: „Ein Leben ohne Angst.“ Und er wünscht sich eine bessere Unterstützung beim Spracherwerb.
Probleme haben die Flüchtlinge laut Umfrage nicht. Dem Vernehmen nach sind vier Flüchtlinge zur Untätigkeit verurteilt. Sie sind erst vor einigen Monaten nach Mietingen verlegt worden und erhalten von amtlicher Seite vor der Anerkennung keinen Integrationskurs, weil sie Afghanen sind. Darüber herrscht Unzufriedenheit.
Für das Gelingen der ersten Schritte in die Integration hat die Kolpingsfamilie Mietingen einiges beigetragen. „Dieses Engagement war in der Kolping nicht umstritten“, sagt Michael Russ. Er sieht dies als Teil der christlichen Verantwortung. „Mir war wichtig, dass es ungezwungene Treffen der Flüchtlinge mit der Bevölkerung gibt“. Die Kolpingsfamilie veranstaltet zusammen mit dem Helferkreis das Flüchtlingscafé.
Unterschrift Foto: Das Flüchtlingscafé im Don-Bosco-Haus gibt Gelegenheit zur Begegnung von Neuankömmlingen mit der Bevölkerung. Bild: Franz Liesch, ©Schwäbische Zeitung