Eberhardzell sz
Viele der Flüchtlinge, die inzwischen im Landkreis Biberach leben, wollen arbeiten. Doch die Unternehmen zögern, sie einzustellen. Selbst, wenn dadurch Stellen unbesetzt bleiben. Das Unternehmen Grünteam aus Hummertsried hat den Schritt gewagt. Seit anderthalb Wochen absolvieren dort zwei Flüchtlinge aus Gambia ein Praktikum. Wenn sie sich bewähren, winkt eine Festanstellung.
Yusupha Jammeh ist einer der beiden Gambier. Seit einem halben Jahr lebt er in der Gemeinschaftsunterkunft in Eberhardzell, er spricht etwas Deutsch und relativ gutes Englisch. Jammeh ist 37 Jahre alt, zuhause in Gambia hat er eine Frau und seine Kinder zurückgelassen. Darauf angesprochen, sagt er, er sei aufgrund von „Problemen“ geflohen. Mehr will er dazu nicht sagen. Da Gambia so klein sei, habe er keine Möglichkeit gesehen, innerhalb seines Heimatlandes neu anzufangen. Auf die Frage, warum er gerade nach Deutschland gekommen sei, zuckt er mit den Schultern. „Es ist ein gutes Land, mit guten Menschen“, sagt er.
Fleißig und freundlich
Bei seinem neuen Arbeitgeber hat er in den ersten zehn Arbeitstagen einen ordentlichen Eindruck hinterlassen. „Er ist fleißig und freundlich, es klappt gut“, sagt Michael Bleichner, Geschäftsführer von Grünteam. Direkt in der ersten Woche schickte er den jungen Asylbewerber mit seinem Team auf Montage, mehrere Tage verbrachten die Männer Tag und Nacht miteinander. Und auch diese erste Bewährungsprobe absolvierte Jammeh ohne Probleme.
Bleichner, der das Unternehmen vor Jahren gegründet hat, ist ein Menschenfreund. In seinem Heimatort Birkendorf engagiert er sich im Asyl-Helferkreis, in seinem Unternehmen arbeiten immer wieder Menschen, die anderswo keine Chance erhalten hätten. „Egal, ob behindert, ehemaliger Alkoholiker oder Asylbewerber, bei mir bekommt jeder eine Chance“, sagt Bleichner. Geschenkt bekomme allerdings niemand etwas, jeder müsse sich bewähren.
Harte körperliche Arbeit
Die Firma Grünteam ist ein Dienstleistungsbetrieb im Garten- und Landschaftsbau sowie im Forstbereich. Für staatliche und private Auftraggeber führen sie Pflanz- und Pflegearbeiten in ganz Deutschland durch. Bei den meisten Aufträgen, erklärt Bleichner, reicht es aus, wenn ein oder zwei Facharbeiter vor Ort mit dabei sind. „Der Rest des Teams besteht aus Arbeitern, die angeleitet werden“, sagt er.
„In Deutschland jemanden zu finden, der sich nicht vor harter körperlicher Arbeit scheut, die bei Wind und Wetter im Freien stattfindet, jedoch dafür nur einen Hilfsarbeiterlohn erhält, das ist fast unmöglich“, so der Forstingenieur.
Das Unternehmen beschäftigt daher seit Jahren Arbeiter aus Tschechien, Polen und der Slowakei. Die meisten kommen für ein paar Monate zum Arbeiten her und gehen dann wieder zurück in ihre Heimat. Das Team, in dem Jammeh nun mit seinem Kapo Maximilian Erhardt arbeitet, besteht überwiegend aus Slowaken. Erhardt erzählt mit einem Lachen, dass er bei der Arbeit aufpassen muss, Jammeh nicht aus Versehen nur Polnisch beizubringen, denn in dieser Sprache unterhält er sich meistens mit seinem Team.
Und Jammeh? Der ist einfach nur froh. Mehrfach wiederholt er, wie dankbar er ist, diese Chance zu erhalten. „Ich habe sofort gemerkt, dass ich hier willkommen bin.“ Die körperliche Arbeit, der Regen, die Kälte, all das mache ihm nichts aus. „Mein Chef hat mir gute warme Kleidung gegeben, ich habe alles, was ich brauche“, sagt er. Nun hofft er, dass wenn er hart arbeitet und auch sonst nicht negativ auffällt, sich seine Chancen auf ein Bleiberecht damit erhöhen. „Ich strenge mich an und hoffe, dass das hilft.“
So früh wie möglich integrieren
Sein Chef, Michael Bleichner, ist überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. „Ich glaube, dass wir diese Flüchtlingskrise nur dann schaffen können, wenn jeder von uns aktiv dazu beiträgt“, sagt er. „Wir müssen die Flüchtlinge so früh wie möglich integrieren, denn wenn zu viele Menschen in einer Notlage eng aufeinander sitzen, ohne etwas zu tun zu haben, sind Spannungen vorprogrammiert.“
Bleichner ist zudem davon überzeugt, mit seinem Engagement nicht nur den Flüchtlingen etwas Gutes zu tun, sondern auch der Wirtschaft. „Ja, wir haben einen Fachkräftemangel. Aber wir haben gerade im Handwerk einen großen Mangel an einfachen Arbeitern – und die sind für die Wirtschaft genauso wichtig.“ Von den zwei Prozent Arbeitslosen im Landkreis Biberach könnten die meisten entweder nicht mehr arbeiten oder sie wollten nicht, vermutet er. „Die Flüchtlinge nehmen daher keinem Deutschen die Arbeit weg.“
Zusatzinformationen: Die rechtliche Situation
Gambia liegt in Westafrika und ist der kleinste Staat auf dem afrikanischen Festland. Gambia hat 1,7 Millionen Einwohner. Die Anerkennungsquote von Flüchtlingen aus Gambia liegt laut Hermann Scheel, Leiter der Ausländerbehörde Biberach, bei zwei Prozent. Der Grund: Gambia gilt als sicheres Herkunftsland. Trotzdem werde in jedem Fall geprüft, ob eine Verfolgungssituation vorliege.
Falls ein Flüchtling bereits viele Jahre in Deutschland lebt und der Asylbewerber voll integriert ist, kann eine Härtefallkommission einberufen werden. „Dann macht es auch einen Unterschied, ob der Flüchtling eine Arbeit hat“, sagt Scheel. Bei der Bewertung neuer Asylanträge hingegen spiele das keine Rolle.
Dennoch rät die Ausländerbehörde ausdrücklich den Unternehmen, Flüchtlinge einzustellen. „Es gibt immer eine Chance, dass die Person anerkannt wird“, sagt Scheel erstens. Zweitens könnten mit Flüchtlingen gerade jene Stellen besetzt werden, für die auf dem deutschen Arbeitsmarkt niemand zur Verfügung stehe. Das gelte auch für Ausbildungsplätze. „Es ist doch besser einen Flüchtling auszubilden als niemanden.“ Drittens: Wenn ein Asylbewerber in Deutschland einen Beruf erlernt, muss er bei einem negativen Bescheid zwar trotzdem ausreisen. Die Chancen, legal mit einem Visum danach wieder einreisen zu dürfen, steigen dadurch jedoch enorm.
Unterschrift Foto: Yusupha Jammeh versteht sich gut mit seinem Kapo Maximilian Erhardt. Jammeh hofft, auch in Zukunft für die Hummertsrieder Firma Grünteam arbeiten zu dürfen Bild: Katrin Bölstler, ©Schwäbische Zeitung