Kleinkellmünz sz
Die Lebensgeschichte der afghanischen Flüchtlingsfamilie Saberi, die in Kleinkellmünz lebt, ist düster. Doch Katja Richter und Schüler des Gymnasiums Ochsenhausen brachten ein wenig Licht in das Leben der Saberis: Sie schenkten Vater Khalil Saberi das Augenlicht.
Khalil Saberi sitzt in einem bescheiden eingerichteten Raum am Laptop und bringt sich ein paar Worte Deutsch bei. Der 61-Jährige lebt mit seinem Sohn Majid (16) und seiner Frau in der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Kleinkellmünz. Dass Khalil Saberi die Buchstaben auf dem Bildschirm des Laptops nahezu problemlos lesen kann, war vor wenigen Monaten noch undenkbar. Denn der Familienvater erkrankte auf der Flucht aus Afghanistan an grauem Star. Er drohte zu erblinden. Eine Augenoperation sollte ihm zunächst verwehrt bleiben, weil Krankenkassen Flüchtlingen im Asylverfahren solche Eingriffe nicht bezahlen.
Sein Sohn Majid, der das Ochsenhauser Gymnasium besucht, erzählte seiner damaligen Lehrerin Katja Richter vom Schicksal der Familie – und brachte damit einen gewaltigen Stein ins Rollen. „Viele dachten, wir schaffen das nicht. Aber wir haben es geschafft“, erzählt die ehemalige Erdkunde- und Biologielehrerin am Gymnasium Ochsenhausen, Katja Richter. Innerhalb von fünf Wochen kamen bei der Spendenaktion „Lichtblick“ mehr als 3500 Euro für die Augenoperation von Khalil zusammen.
Für die afghanische Flüchtlingsfamilie ist die Spendenaktion nicht nur ein Lichtblick, weil der Familienvater wieder ungetrübt sehen kann, sondern auch ein Lichtblick in schweren Zeiten. Nach einem Jahr Aufenthalt ist noch nicht geklärt, ob sie eine Anerkennung erhalten. Zudem leidet vor allem die Mutter sehr unter den traumatischen Erlebnissen der Flucht. Vor diesem Hintergrund ist es keine allzu große Überraschung, wie sehr sich die Familie über die Hilfsbereitschaft der Menschen aus der Region freut. „Ich bin so dankbar, dass es meinem Vater wieder besser geht“, sagt Majid.
Khalil Saberi hat sein Augenlicht Menschen zu verdanken, die erkannt haben, wie schwer eine Integration für ihn werden würde, sollte er tatsächlich erblinden. Schüler des Gymnasiums Ochsenhausen engagierten sich gemeinsam mit ihrer Lehrerin Katja Richter für Khalil Saberi. Sie motivierten ihre Mitschüler, Eltern, Freunde und Verwandte, einen Betrag zu spenden. Sie gingen durch die Schulklassen, organisierten einen Kuchenverkauf und zwei Abiturienten sammelten beim Abiball Geld für das Spendenprojekt.
Unterstützung bekamen sie vom Helferkreis Dettingen, dem ökumenischen Arbeitskreis Asyl sowie der evangelischen Kirchengemeinde Erolzheim-Rot. Zudem legten Handwerker, die am Gymnasium die Hochwasserschäden beseitigten, für die Operation des Vaters zusammen. „Werte wie Solidarität und Menschlichkeit, Kompetenzen und Empathiefähigkeit, Verantwortung und Hilfsbereitschaft kann man Schüler und Erwachsene nicht lehren. Diese Werte müssen ihnen entweder vorgelebt werden oder, noch besser, sie leben, erleben oder erfahren sie selbst“, sagt Katja Richter.
Allein ums Geld ging es bei der Operation nicht. Richter organisierte mit dem Dettinger Flüchtlingshelferkreis für die Arztfahrten vom Illertal nach Biberach zwei ehrenamtliche Fahrer. Zudem musste ein Dolmetscher für das ärztliche Aufklärungsgespräch gefunden werden. Und natürlich brauchte es einen Arzt, der die Operationen durchführt. „Mir war es wichtig, einen Arzt zu finden, zu dem ich ein großes Vertrauensverhältnis habe“, sagt Richter. Schließlich habe sie Khalil Saberi in guten Händen wissen wollen. Ihre Wahl fiel auf dem Biberacher Augenarzt Dr. Otto Dollinger und die Anästhesisten Dr. Herbert Bauer und Dr. Karl-Otto Walz.
Nach zwei Operationen, beide Augen wurden einzeln operiert, war es so weit: Khalil Saberis Linsen sind nicht mehr getrübt, er kann wieder klar sehen. „Ich fühle mich wie neu geboren. Ich bin den Spendern so dankbar“, sagt der Familienvater. Richter fügt hinzu: „Vor Freude hat er den Augenarzt umarmt, als ihm der Verband abgenommen wurde.“
Unterschrift Foto: Sie haben ein kleines Wunder vollbracht: Schüler des Gymnasiums Ochsenhausen unterstützten die Flüchtlingsfamilie Saberi. Bild: privat, ©Schwäbische Zeitung