Mit 23 Prozent sind Gambier die zweitgrößte Gruppe geflüchteter Menschen, die in Baden-Württemberg leben. Unlängst berichtete die Schwäbische Zeitung über einen jungen Gambier, dem trotz fester Anstellung die Abschiebung droht. Doch was ist das für ein Land, das viele Gambier verlassen mussten und in das sie nun verstärkt abgeschoben werden? Eines, dessen Demokratie längst nicht stabil ist, wie am Dienstagabend deutlich wurde. Julian Staiger, vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und der Initiative „Flüchtlinge Willkommen“, Bubacarr Komma, Journalist aus Gambia und Dr. Georg Bouché, Honorarkonsul der Islamischen Republik Gambia in Stuttgart warfen einen Blick auf die gegenwärtige Situation des Landes. Die Ökumenische Flüchtlingsarbeit von Caritas und Diakonie im Landkreis Biberach in Kooperation mit dem Landratsamt Biberach und dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg hatte zum Länderabend im evangelischen Gemeindehaus in Laupheim geladen.
Nach dem Regierungswechsel 2016, der formal das Ende der langjährigen Diktatur unter Yahya Jammeh einläutete, scheint Gambia aus deutscher Sicht als sicher zu gelten. Seit 2017 nehmen die Abschiebungen rapide zu. Waren es 2017 deutschlandweit noch 29, so wurden im ersten Quartal dieses Jahres bereits 51 Gambier zurück geschickt.
Trommel und Gitarre
Zum Einstieg zeigten Salifu Ceesay und Andreas Gratz von der Caritas an Trommel und Gitarre ihr Können. Julian Staiger stellte die neue Broschüre des Flüchtlingsrats vor, die sich mit Gambia nach der Diktatur befasst. Die Beiträge wurden hauptsächlich von gambischen Experten - Politikwissenschaftlern, Aktivisten, Journalisten - verfasst. Daraus, und aus Bubacarr Kommas Vortrag, ergab sich das Bild eines Landes, das nach dem Regierungswechsel längst nicht zur Ruhe gekommen ist. Täter säßen weiterhin in der Regierung. Gesetze, die dem Präsidenten beinahe uneingeschränkte Macht ermöglichten, seien bis heute nicht geändert worden. Die Wirtschaft habe sich nicht verbessert und Korruption sei nach wie vor ein großes Problem von dem der neue Präsident Adama Barrow keineswegs ausgenommen scheint.
Die Lebenserwartung in Gambia beträgt 54 Jahre, eine soziale Absicherung durch den Staat ist nicht vorhanden. „Die Menschen sind abhängig von dem, was sie verdienen oder von ihren Kinder“, erklärte Komma. Landwirtschaft, Fischerei und Tourismus seien die größten Einnahmequellen. „Die Hauptmotivation das Land zu verlassen, liegt in dem Wunsch, die Familie ernähren zu können“. 22 Prozent des gambischen Bruttoinlandsproduktes würden durch Geldüberweisungen von Gambiern aus dem Ausland generiert.
„Enttäuschung ist groß“
Komma berichtete von Abkommen mit chinesischen Bauunternehmen, die zwar der Regierung Geld, den Menschen aber keine Arbeit bringen, da die Straßen von chinesischen Arbeitern gebaut werden. Auch die Europäische Union hat, laut Komma, keine weiße Weste. Drei Jahre lang dürfe sie in gambischen Gewässern fischen und zahle dafür einen viel zu geringen Preis. „Die Enttäuschung über den neuen Präsidenten ist groß“.
Die Situation sei angespannt, es gebe wieder Tote und Verletze bei Streitigkeiten um Land. Komma vermutete, dass viele Gambier gerne in ihr Land zurückkehren würden. Doch dort gebe es keine Arbeit. Mit dem, was sie gelernt haben, könnten sie nichts anfangen. „Sie haben nach ihrer Rückkehr nichts“.
Als Honorarkonsul übt Dr. Georg Bouché ein Ehrenamt aus und berichtete kurz über seine Funktion. Er sei Gambias verlängerter Arm in Deutschland und arbeite der gambischen Botschaft in Brüssel zu. Hauptsächlich helfe er bei der Erstellung und Suche nach Dokumenten, wie Pässen und Visa. Die Kommunikation zwischen Bundesregierung und Botschaft bezeichnete er als kompliziert.
Bei der anschließenden Fragerunde erkundigten sich die Anwesenden bei Bouché nach der Legitimationsgrundlage der „Gambischen Delegation“, die in Karlsruhe eingesetzt wird, um Gambier zu identifizieren. „Da wird von allen Seiten geschwiegen, sowohl vom Auswärtigen Amt, als auch von Gambia“, antwortete Bouché.
Zahlreiche Fragen rund um das Thema Abschiebungen wurden gestellt und geklärt. „Gambia befindet sich im Übergang“, fasste Staiger am Ende zusammen. „Jede Abschiebung könnte das Land weiter destabilisieren“.
Unterschrift Foto: Das Trio berichtete ausführlich über die politische und gesellschaftliche Lage in Gambia (v.l. Julian Staiger, Bubacarr Komma, Dr. Georg Bouché) Bild: Anke Kumbier, ©Schwäbische Zeitung