Deutschland hat seit Beginn des Kriegs in der Ukraine nahezu eine Millionen Menschen aus dem osteuropäischen Land aufgenommen. Im Landkreis Biberach haben 1900 Menschen ein vorläufiges Zuhause gefunden. Zwingend in der Region bleiben müssen sie aber nicht.
Philipp Friedel, Sprecher des Landratsamt, erläutert das Prozedere: Die Geflüchteten aus der Ukraine kommen auf verschiedenen Wegen in den Landkreis. Sie können privat anreisen und beispielsweise bei Bekannten unterkommen oder sie kommen aus der Landeserstaufnahme und werden dem Landkreis im Rahmen der Flüchtlingsaufnahme zugewiesen.
Kreis hat eine Woche Vorlauf
Sofern die Personen nicht privat in den Landkreis kommen, werden sie vom Regierungspräsidium Karlsruhe nach Quoten den Kreisen zugewiesen, erläutert Friedel. Der Kreis erfahre die Zahl der zu erwartenden Personen in der Vorwoche.
Das Amt für Flüchtlinge und Integration koordiniere die Aufnahme und kläre, in welcher Unterkunft die Personen aufgenommen werden können und bereite die Aufnahme vor. So müssten Zimmer noch ausgestattet, Herde und Waschmaschinen installiert und Matratzen besorgt werden. Die ukrainischen Bürger würden mit Bussen hergebracht, manche nutzten private Fahrzeuge.
Am Ankunftstag geht es um Daten, Anträge, Medikamente und Corona
Am Tag der Zuweisung würden die Geflüchteten erstversorgt, das bedeute, neben der Registrierung, Datenaufnahme und Antragstellung auf Sozialleistungen, sei bei größeren Gruppen auch das DRK mit vor Ort, Medikamentenpläne würden besprochen, Impfungen empfohlen und Coronatests vorgenommen. Auch eine Barauszahlung von 100 Euro erhalten die Geflüchteten am Tag der Ankunft. Das geschehe, weil sie sich „in der Unterkunft selbst versorgen müssen und die Gewährung von Sozialleistungen Zeit in Anspruch nimmt“, so Friedel.
Im Unterschied zu Asylbewerbern müssen ukrainische Geflüchtete nicht zwingend die Landeserstaufnahme passieren. Die registrierten Daten werden mit dem Ausländerzentralregister abgeglichen. Hier kann man sehen, ob eine Person doch bereits registriert ist oder nicht.
Wenn dies nicht der Fall ist, werden die Menschen zur erkennungsdienstlichen Erfassung eingeladen. Erst danach bekommen sie ein Aufenthaltsrecht, das wiederum Voraussetzung für den Bezug öffentlicher Leistungen sei. Ist eine Person bereits an anderer Stelle registriert, beispielsweise in Bayern, muss die Person dorthin zurück und erhält keine Aufnahme im Landkreis Biberach.
Freizügigkeit innerhalb der Landesgrenzen
„Innerhalb von Baden-Württemberg können Geflüchtete aus der Ukraine ihren Wohnsitz wechseln, das ist völlig legal“, sagt der Sprecher. Vor der Registrierung könnten sie sich innerhalb Europas frei bewegen, auch das sei völlig legal.
Manche steigen einfach nicht in den Bus
Dass Ukrainer mehr oder weniger untertauchen, wie aus dem Landkreis Ravensburg berichtet wird, könne er im hiesigen Kreis so nicht beobachten. Die Ravensburger Migrationsdezernentin hatte gegenüber der Schwäbischen Zeitung von 170 Menschen, beziehungsweise zehn Prozent der Geflüchteten gesprochen, die einfach „untergetaucht“ seien.
„Es kommt vereinzelt vor, dass Personen den Wohnort wechseln und uns dies nicht mitteilen oder nach Ankunft diesen gleich wieder verlassen. Auf keinen Fall würden wir das als Phänomen beschreiben“, sagt der Sprecher über den Landkreis Biberach. „Was bei uns häufiger vorkam war, dass Personen in den Messehallen der Großstädte um Stuttgart nicht in den Landkreis Biberach verlegt werden wollten und erst gar nicht in den Bus einstiegen.“
Strafrechtlich habe diese Verhalten zunächst keine Bedeutung. „Ukrainische Staatsangehörige können sich weiterhin bis zu 90 Tagen nach der Einreise ohne Aufenthaltstitel in Deutschland aufhalten, ein illegaler Aufenthalt liegt also nicht vor.“ Insofern halte das Landratsamt Biberach „untertauchen“ für „den falschen Begriff“.
Russische Geflüchtete seit der Teilmobilmachung?
Von den 1900 geflüchteten Ukrainern leben laut Kreis 1170 in privaten Wohnungen. Dank des privaten Engagements konnte bisher die Unterbringung im Landkreis Biberach ohne Hallenbelegungen bewältigt werden, lobt der Sprecher. Der Landkreis betreibe kreisweit rund 30 Gemeinschaftsunterkünfte für aktuell 730 Personen. Die derzeit größte Unterkunft für ukrainische Geflüchtete sei in der ehemaligen Fachklinik in Dietenbronn, weiter wurden Wohncontainer in Riedlingen und in Biberach erstellt und das ehemalige Pflegeheim Marienheim in Bad Buchau erworben.
Gibt es seit der Teilmobilmachung in Russland auch Geflüchtete von dort? „Da können wir derzeit noch nichts feststellen“, teilt Philipp Friedel mit.