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    Wie gut funktioniert Integration in Biberach? – Podiumsdiskussion der Freien Wähler kommt gut an und behandelt interessante Aspekte

    Biberach, 05.04.2016 (Tanja Bosch, ©Schwäbische Zeitung)

    Biberach sz
    Wie funktioniert die Integration von Flüchtlingen in Biberach schon? Diese Frage ist im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion der Freien Wähler (FW) am Montagabend gestanden. Mehr als 60 Gäste bekamen einen Einblick über den aktuellen Stand in Stadt und Kreis, in den Bereichen Schule, medizinische Versorgung, Vereinsarbeit, Sicherheit und Öffentlichkeitsarbeit.

    In einem Punkt sind sich alle einig: Die Sprache ist der Schlüssel zu Integration. Danach geht es darum, die Flüchtlinge in den Alltag zu integrieren, sie Teil am sozialen Gefüge werden zu lassen, ihnen eine Chance am Arbeitsmarkt zu geben und sie als Bürger anzuerkennen. „Die größte Herausforderung kommt noch auf uns zu“, sagt Petra Alger, Sozialdezernentin des Landkreises Biberach. „Es liegt in unserer Verantwortung, die Menschen, die zu uns kommen, zu unterstützen.“

    Derzeit leben 3200 Flüchtlinge im Kreis, davon circa 800 Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften der Stadt Biberach. Mehr als 1000 Ehrenamtliche engagieren sich für Flüchtlinge: „Das ist eine Zahl, die mich wirklich stolz macht“, sagt Petra Alger. „Ohne Ehrenamt wäre all das, was wir bis jetzt geschafft haben, niemals möglich gewesen.“

    Auch Oberbürgermeister Norbert Zeidler ist dankbar für die große Unterstützung. „Wir können zeigen, wozu wir in der Lage sind, unsere Leute nehmen sich dem Thema hochmotiviert an.“ Für ihn ist die Integration ein langer Prozess, der „gute, effektive und transparente Strukturen braucht“. Konkret sollte es derzeit laut OB mehr Kindergartenplätze geben, mehr Vorbereitungsklassen, mehr Sprachunterricht, sodass es in der Zukunft möglich sei, Flüchtlingen einen Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. „Und ganz wichtig sind Wohnungen“, sagt Zeidler. „Nicht nur für Flüchtlinge, sondern für alle Bürger.“ Dies sieht er als gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

    Geht es um das Thema Sicherheit, macht sich Polizeivizepräsident Hubertus Högerle über Biberach und den Landkreis keine Sorgen. „Biberach ist sicherheitsmäßig sehr gut aufgestellt“, so Högerle. Die Polizei könne ihren Beitrag zur Integration leisten, indem sie Straftaten verhindert und aufklärt. „Wir müssen das Sicherheitsgefühl positiv an die Bürger heranbringen.“ Dies sei allerdings oftmals schwer, denn die Vorurteile gegenüber Flüchtlingen seien groß. „Gibt es mal einen Einzelfall, wird dieser Fall sofort ausgeschlachtet und auf alle anderen Flüchtlinge projiziert“, so der Polizeivizepräsident. Die Zahlen sprächen allerdings eine andere Sprache: „Nur sieben Prozent aller Straftaten werden von Asylbewerbern verübt.“ Viel größere Sorgen bereiten Högerle dagegen die Schleuser, die auch im Ulmer Raum ihr Unwesen treiben, Banden, das Thema Extremismus und Anschläge in Richtung Flüchtlinge.

    Allgemeinmediziner Dr. Ralf Rothenbacher berichtete von der medizinischen Versorgung der Flüchtlinge. „Die allgemeine Erstuntersuchung erfolgt für alle Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen, danach werden Flüchtlinge für die nächsten 15 Monate nur von Ärzten behandelt, wenn sie akute Beschwerden, Schmerzen haben oder wenn eine Frau schwanger ist“, so Dr. Rothenbacher. In Biberach würden diese Patienten gerecht auf alle Ärzte verteilt: „So können alle, die Hilfe brauchen, anständig versorgt werden.“ Die größte Barriere bei der medizinischen Versorgung sei allerdings die Sprache. „Um die Patienten richtig zu behandeln, ist die Krankengeschichte natürlich sehr wichtig“; so Rothenbacher. „Selbst mit Dolmetschern und Handykonferenzen ist das ein extremer Aufwand.“

    Sorge um die schulische Zukunft

    Mit ähnlichen Problemen hat auch Beate Jeske, Rektorin der Braith-Grundschule, in ihrem Schulalltag zu kämpfen. „Zu uns kommen täglich neue Flüchtlingskinder, die alle unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen. Jedes Kind hat eine andere Geschichte, die wir nicht kennen.“ Sie sorgt sich um die schulische Zukunft dieser Kinder, die zwar schnell deutsch lernen, aber mit der Integration sei es dennoch schwierig. „Es kostet so viel Kraft und ist sehr anstrengend“, sagt Jeske. „Wir brauchen mehr Kita-Plätze, spezielle Förderklassen, mehr Ressourcen und am besten eine Diagnose-Möglichkeit, um schnell herauszufinden, was die einzelnen Kinder an Förderung brauchen.“ Bisher fehle leider ein passenden Konzept vom Ministerium.

    Thiemo Potthast, Geschäftsführer der TG Biberach, berichtet von der Integration im Vereinsleben: „Wir haben bei der TG einige interessierte Flüchtlinge aufgenommen und es funktioniert.“ Allerdings sei der Sport auf den ersten Blick ein zweitrangiges Organ, funktioniere aber oftmals ohne Sprache. „Wir haben uns entschlossen, im Rahmen unsere Möglichkeiten zu handeln und Flüchtlingen unbürokratisch, und ohne Beitrag aufzunehmen“, so Potthast. „Das funktioniert aber natürlich nicht unbegrenzt, auch da brauchen wir Lösungen.“ Der Sport verbinde und sei ein wichtiger Schritt für die Integration.

    Über die Rolle der Presse bei der Integration berichtete Gerd Mägerle, Redaktionsleiter der SZ Biberach. „Wir haben in den vergangenen Monaten viel über das Thema geschrieben, erst gab es bei vielen Menschen große Euphorie, ab dem Jahreswechsel wurden auch vermehrt kritische Stimmen laut.“ Er stellte klar, dass die Presse nichts beschönige und verschweige, sondern immer bemüht sei, die Fakten zu recherchieren. „Es geht um Aufklärung, das heißt aber nicht, dass wir die Bedenken der Bürger nicht ernst nehmen“, so Mägerle. „Unsere Aufgabe ist es, die Themen aufzugreifen, nachzufragen und die Ergebnisse nach außen zu tragen.“

    Unterschrift Foto: An Sozialdezernentin Petra Alger hatten die Besucher viele Fragen Bild: Tanja Bosch, ©Schwäbische Zeitung