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    Biberacher Baufirma kämpft wegen Flüchtlingen mit der Bürokratie

    Biberach, 19.10.2018 (Gerd Mägerle, ©Schwäbische Zeitung)

    „Das Ringen um Azubis und Fachkräfte ist groß, und uns helfen die Flüchtlinge tatsächlich weiter“, sagt Andreas Braun, Geschäftsführer des Biberacher Bauunternehmens Grüner und Mühlschlegel. Sechs Flüchtlinge sind dort derzeit in Ausbildung oder gerade damit fertig geworden. „Neben der Unsicherheit, was die Bleibeperspektive angeht, belastet die Arbeitgeber auch die viele Bürokratie, die nötig ist, um den Geflüchteten einen Arbeitsplatz zu verschaffen“, sagt Armin Speidel, Flüchtlingskoordinator bei der IHK Ulm.

    Nenpup Suwa (42) aus Nigeria, Olivier Bertrand Pokam (39) aus Kamerun, Ahmadullah Afghan (29) und Abdurahman Zadran (21), beide aus Afghanistan, absolvieren ihre Ausbildung auf den Baustellen von Grüner und Mühlschlegel. Alle vier sind zufrieden mit ihrem Job und arbeiten gerne in der Firma mit knapp 120 Beschäftigten. „Das ist ein Familienbetrieb – so fühle ich mich hier auch“, sagt Pokam. „Der Chef hat immer ein offenes Ohr für jeden, der ein Problem hat“, meint Suwa. „Ich will meine Ausbildung durchziehen und hier weiter arbeiten. Dazu nehme ich Nachhilfe an der Berufsschule“, erzählt Zadran und sein Landsmann Afghan sagt: „Mir gefällt die Arbeit auf dem Bau und ich möchte mir etwas aufbauen.“

    Alle vier sprechen sehr gut Deutsch, alle haben ihren Platz im Berufsleben gefunden, und doch sind ihre Zukunftsperspektiven höchst unterschiedlich. Am sichersten kann Nenpup Suwa sein Leben planen. Er ist seit 18 Jahren in Deutschland, ist mittlerweile mit einer Deutschen verheiratet und kann deswegen sicher im Land bleiben. Die andere drei haben verschiedene Aufenthaltsstatus, die ihnen jeweils nur auf Zeit verlängert.

    Die Rechtslage ist für einen Laien kaum durchschaubar, „und auch Arbeitgeber kommen ohne Beratung durch uns oder die Jobcenter schnell an ihre Grenzen, vor allem Klein- und Mittelständler, die einem Flüchtling einen Ausbildungsvertrag anbieten wollen“, weiß Speidel aus Erfahrung. Die Geflüchteten wiederum müssten an ihrer eigenen Identitätsklärung aktiv mitwirken und zum Beispiel Geburtsurkunden aus ihren Heimatländern beschaffen, um sich später von ihrer Botschaft in Deutschland einen Pass ausstellen lassen zu können. „Das ist zeitaufwendig, kostspielig und klappt manchmal erst, wenn sich auch noch der hiesige Bundestagsabgeordnete mit einschaltet“, so Speidel und kritisiert die Politik. „So hat man das Ganze der Wirtschaft am Anfang nicht verkauft.“Die IHK fordere deshalb, dass das Integrationsgesetz endlich so umgesetzt werde wie eigentlich geplant.

    Deutsche suchen „saubere Jobs“

    Andreas Braun will sich für „seine Flüchtlinge“ auf jeden Fall stark machen. „Es kostet uns zwar mehr Aufwand, aber die Motivation ist bei ihnen höher als bei manchem Deutschen“, sagt er. Ohnehin finde er kaum noch Landsleute, die sich für eine Ausbildung in der Baubranche begeistern. „Die meisten Deutschen suchen ,saubere Jobs’“, sagt Braun. Dabei seien die Aufstiegschancen und Verdienstmöglichkeiten nicht schlecht. Trotzdem seien in der IHK-Region Ulm rund 670 Stellen für Fachkräfte in der Baubranche offen, so Speidel.

    Die Zusammenarbeit auf der Baustelle klappe gut, sagen die Geflüchteten. Rassistische Äußerungen gebe es nicht. Oft gebe es gewisse Vorbehalte vor dem Erstkontakt, sagt Speidel. „Aber sobald der persönliche Kontakt zum Beispiel auf der Baustelle da ist, ist alles anders. Dann ist der Flüchtling der Kollege.“

    Unterschrift Foto: So hätte es IHK-Flüchtlingskoordinator Armin Speidel (v. l.) gern immer: Nenpup Suwa, Ahmadullah Afghan, Olivier Bertrand Pokam und Abdurahman Zadran arbeiten gerne bei Grüner und Mühlschlegel, worüber sich Geschäftsführer Andreas Braun freut. Bild: Gerd Mägerle, ©Schwäbische Zeitung