Aulendorf sz
„Noch ein bisschen weiter nach oben“, sagt Brunhilde Raiser zu ihrer Mitarbeiterin Dorothea Kohler-Rapp. Gemeinsam hängen die beiden Frauen vom evangelischen Bildungswerk Oberschwaben die Exponate in der Aulendorfer Thomaskirche auf, die während der Ausstellung „Aspekte von Flucht in der gegenwärtigen Kunst“ gezeigt werden.
„Wir versuchen, die Exponate zueinander in Beziehung zu setzen und müssen dabei aber auch schauen, wie es räumlich passt“, erklärt Raiser. Dreizehn Künstler werden ab dem kommenden Sonntag bis zum 31. Januar in der evangelischen Kirche ausgestellt. Darunter auch Gerhard Langenfeld, Kunstlehrer am Gymnasium Aulendorf. Zu sehen sind verschiedene Objekte, Skulpturen, Fotografien und Malereien, die alle in den vergangenen zehn Jahren entstanden sind. Die Künstler stammen allesamt aus Oberschwaben oder haben einen engen Bezug dazu.
Dargestellt werden verschiedene Aspekte des Themas Flucht und ganz unterschiedliche Fluchtsituationen: Jüdische Menschen, die vor dem Nazi-Regime geflohen sind, oder Menschen, die den Völkermord in Ruanda miterlebt haben. „In der Ausstellung zeigen wir auch einen syrischen Künstler, Walled Nizami, der seine eigene Flucht verarbeitet hat“. Die Malereien sind in dunklen Farben gehalten und wirken bedrückend. „Seine Bilder waren davor hell und farbig. Schaut man diese Bilder an“, sagt Kohler-Rapp und deutet mit dem Kinn in Richtung der Werke von Walled Nazami, „spricht das für sich und zeigt, was Flucht für einen Menschen bedeutet.“
An einer Hörstation wird der nachgesprochene Text einer Unterhaltung zwischen einer Deutschen und einem syrischen Flüchtling abgespielt. Während der Flucht standen beide miteinander in Kontakt, erklärt Kohler-Rapp. „Das ist sehr ergreifend.“ Noch aufgereiht auf der Kirchenbank stehen die Fotografien von Claudio Hils aus Mengen, die während des Balkankonflikts aufgenommen wurden. Die Farbabzüge zeigen einen Schießstand mit Mutter und Kind als Attrappe, eine Fliegerbombe im Gras und einen Computerbildschirm, auf dem die eingezeichneten Ziele abgebildet sind.
Ausgestellt wird auch eine Leiter aus Bruchholz, die einer jener Leitern nachempfunden ist, wie sie in Marroko verwendet werden, um über den meterhohen Stacheldrahtzaun in die spanische Enklave zu klettern und somit europäischen Boden zu betreten. Zu sehen ist ein vermeintlicher Rettungsring als Grabschmuck und Äste, die am KZ Buchenwald in den Abgrenzungszaun gewachsen sind und als knochenähnliche Gebilde mit Wunden in der Baumrinde in einem Schaukasten ausgestellt werden.
Die Bereitschaft der Künstler, bei der Ausstellung mitzumachen, sei sofort da gewesen. Vor eineinhalb Jahren wurde die Idee geboren. „Flucht ist kein neues Phänomen“, sagt Brunhilde Raiser. „Menschen mussten Deutschland als Flüchtlinge verlassen und sind als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen.“ Die Besucher der Ausstellung sollen sich mit Fragen wie „Was ist Flucht?“ und „Was habe ich damit zu tun?“ auseinandersetzen. Die Ausstellung wurde vom evangelischen Bildungswerk Oberschwaben konzipiert und dann den evangelischen Kirchenbezirken Ravensburg und Biberach zur Verfügung gestellt. „Meine Idee war, nicht nur diakonisch tätig zu sein, sondern auch auf der Bewusstseinsebene zu begleiten“, sagte Pfarrer Gauss. „Man muss sich dem Thema nähern und sich nicht von Ängsten und Emotionen steuern lassen, die wir alle haben.“
Vernissage am Sonntag
Insgesamt wird die Ausstellung an sechs Stationen zu sehen sein, nach Mengen ist Aulendorf der zweite Ausstellungsort. „Je nach Räumlichkeit variiert die Ausstellung etwas“, erklärt Dorothea Kohler-Rapp, „die Hauptwerke wollen wir aber überall zeigen“.
Die Ausstellung wird am kommenden Sonntag mit einer Vernissage eröffnet, zu der alle Interessierten eingeladen sind. Beginn ist um 17 Uhr. Pfarrer Gauss wird die Ausstellung eröffnen. Anwesend sein wird auch die Künstlerin Marlis Glaser, die ihre Bilder vorstellen wird. Veranstalter in Aulendorf ist das Evangelische Bildungswerk Oberschwaben und die evangelische Thomaskirchengemeinde, unterstützt durch den Arbeitskreis Asyl.
Die regulären Öffnungszeiten sind jeweils mittwochs, samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr, geöffnet wird aber auch nach Absprache. Schulklassen, die an einer Führung interessiert sind, können sich im evangelischen Pfarramt melden unter Telefon 07525/2660.
Unterschrift Foto: Dorothea Kohler-Rapp und Brunhilde Raiser (von links) bauen den Seelenverkäufer auf, in dem sich der Betrachter beim hineinsehen spiegelt. Pfarrer Gebhardt Gauss hängt dazu eine der Fotografien von Helmut Hirler, die ein angespühltes Boot zeigt Bild: Anja Ehrhartsmann, ©Schwäbische Zeitung