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    Sanneh Bakary will sich gerade auf den Weg zur Arbeit machen, als die Polizei ihn am Flüchtlingsheim abholt.

    Biberach, 06.03.2019 (Theresa Gnann, ©Theresa Gnann)

    Sanneh Bakary will sich gerade auf den Weg zur Arbeit machen, als die Polizei ihn am Flüchtlingsheim abholt. Es ist kurz vor sieben Uhr am Freitag, 1. März. Der Gambier hat bereits seine Arbeitskleidung an. Beim Eisenwarenverarbeiter Biechele aus Biberach soll er heute eigentlich wieder Betonstahl zuschneiden. Wie jeden Tag. Doch statt zu seinem Arbeitgeber fährt der 29-Jährige mit der Polizei nach Frankfurt. Dort setzen ihn die Beamten in ein Flugzeug nach Gambia.

    Sein Chef Florian Biechele wartet währenddessen vergeblich darauf, dass Bakary zur Arbeit erscheint. Für ihn kommt die Abschiebung aus heiterem Himmel. „Das ist eine Frechheit“, sagt Biechele und verweist darauf, dass der Gambier eigentlich eine Duldung und eine Arbeitserlaubnis bis Juli 2020 hatte. „Bakary ist ein klasse Typ. Der hat richtig angepackt. Auf ihn konnte man zählen.“ Vor eineinhalb Jahren hat der junge Gambier bei ihm angefangen. „Wir haben damals händeringend Leute gesucht“, erzählt Biechele. Für ihn war Bakary ein echter Glücksfall. „Es ist so schwer, Leute zu finden. Dann hat man jemanden, lernt ihn ein, investiert und dann ist er plötzlich weg“, sagt er. „Und das gerade jetzt, wo bei uns die Saison wieder losgeht.“

    Initiative greift Innenminister an
    Das Vorgehen macht auch die Unternehmer-Initiative „Bleiberecht durch Arbeit“ wütend. Der Initiative, die sich dafür einsetzt, dass Flüchtlinge, die eine Arbeit haben, in Deutschland bleiben dürfen, gehören mittlerweile 150 Unternehmen und Handwerker und drei Verbände an, darunter auch die IDS (Industrie Dienstleistung Süd) aus Unteressendorf. „Wir sind nicht bereit, das Vorgehen der Politik einfach so zu akzeptieren“, sagt deren Geschäfsführer Markus Winter. Es sei bereits der vierte Fall der Abschiebung eines Geflüchteten trotz Arbeit in der Region.

    Dabei hatte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) noch vor wenigen Wochen angedeutet, dass gut integrierte Flüchtlinge, die einen Job haben, auf eine Duldung hoffen können – auch wenn ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Es gebe bereits auf Bundesebene einen entsprechenden Gesetzesentwurf für Migranten, die einen Job haben, aber deren Asylantrag abgelehnt wurde, sagte Strobl damals im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Er kündigte an, zu überlegen, ob die, die bereits arbeiten und schon die Voraussetzungen der künftigen Regelung zur Duldung von Beschäftigten erfüllen, so lange nicht abgeschoben werden, bis das Gesetz tatsächlich in Kraft tritt. „Das ist eine Lösung, die pragmatisch die Belange unserer gerade mittelständischen Wirtschaft aufnimmt“, sagte Strobl damals.

    Doch genau diese Belange sieht die Initiative jetzt missachtet. „Wir reden hier nicht über große Konzerne, sonder über kleine und mittelgroße Unternehmen. Wenn da ein Mitarbeiter einfach wegfällt, tut das den Unternehmen richtig weh“, sagt Winter. „Gerade in Zeiten von Vollbeschäftigung, in denen es schwer ist, Mitarbeiter zu finden.“ Die Unternehmer fühlen sich deshalb von der Politik im Stich gelassen. „Die Politik hat uns während der großen Flüchtlingswelle um Hilfe gebeten“, sagt Winter. „Wir sind dieser Bitte damals nachgekommen. Das interessiert heute keine Sau mehr.“


    Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, will die Initiative betroffene Unternehmen vernetzen. Viele sind frustriert. Melanie Müller von der Firma IQM Oberflächentechnik aus Mietingen berichtet zum Beispiel von ihrem gambischen Mitarbeiter, dem vor kurzem die Arbeitserlaubnis entzogen wurde. Andreas Höschele, der in Biberach den Gasthof „Grüner Baum“ betreibt, erzählt, was die entzogene Arbeitserlaubnis seiner Küchenhilfe für ihn bedeutet. „Da wurde aus einem Sozialabgabeneinzahler über Nacht ein Sozialhilfeempfänger und ich bin der Leidtragende“, empört sich der Gastronom.

    Auffällige Parallelen

    Die Fälle haben eines gemeinsam: In allen Fällen zeigten sich die Flüchtlinge kooperativ, arbeiteten mit den Behörden zusammen, zum Beispiel bei der eigenen Identitätsbestimmung. „Das scheint eine Masche zu sein“, sagt Biechele. Das Regierungspräsidium habe ihm zum Beispiel suggeriert, dass Bakary weiter bei ihm arbeiten dürfe, wenn dieser den Behörden seine Dokumente zur Verfügung stelle. „Bakary hat sich nie etwas zu Schulden kommen lassen. Er war ein zuverlässiger Mitarbeiter. Vielleicht musste er gehen, weil ich ihm dazu geraten habe, ehrlich zu sein und den Behörden zu helfen“, sagt Biechele.

    „Da wurde aus einem Sozialabgabeneinzahler über Nacht ein Sozialhilfeempfänger und ich bin der Leidtragende.“ Gastronom Andreas Höschele

    „Zur Zeit häufen sich diese Fälle“, sagt Armin Speidel, Flüchtlingskoordinator bei der IHK Ulm. Er kennt die Problematik gut. Immer mehr Unternehmer wenden sich an ihn, weil ihre Mitarbeiter plötzlich ohne Arbeitserlaubnis dastehen oder, wie im Fall von Sanneh Bakary, schon im Flieger ins Herkunftsland sitzen. Besonders bei den Schwarzafrikanern steige die Zahl der Abschiebungen zur Zeit extrem, sagt Speidel. Mehrere hundert, schätzt er, sind derzeit noch im Bereich der IHK Ulm in Arbeit. Was er deren Arbeitgeber jetzt rate? „Keine Ahnung“, sagt er, „ich kann wirklich nicht sagen, was denen jetzt helfen soll.“

    Die Frage, warum Sanneh Bakary trotz der Zusagen Strobls abgeschoben wurde, beantwortet das Innenministerium auf Anfrage der Schwäbischen Zeitung nicht. Konfrontiert mit den Vorwürfen der Unternehmer, verweist das Ministerium auf das geltende Recht. „Sinn der Beschäftigungserlaubnis ist nicht, den Asylbewerbern unabhängig vom Ausgang ihres Asylverfahrens ein gesichertes Aufenthaltsrecht zu vermitteln“, schreibt das Ministerium in einem Statement. Die Beschäftigungserlaubnis für Asylbewerber und sonstige Personen mit ungeklärter Bleibeperspektive solle vielmehr dazu dienen, dass die Ausländer einen Beitrag zur Sicherung des Lebensunterhalts leisten und die Sozialkassen entlastet werden.

    Markus Winter und die anderen Unternehmer wollen sich damit nicht abspeisen lassen. „Ein Verweis auf herrschende Gesetze wird der aktuellen Situation in keiner Weise gerecht“, schreibt die Unternehmer-Initiative ihrerseits in einem Brief an den Innenminister. „Unsere Erfahrungen als Unternehmer und mündige Bürger lehren uns, dass Spielräume bei der Anwendung herrschender Gesetze bestehen.“ Die Unternehmer wollen weiter kämpfen.

    Unterschrift Foto: Unternehmer Florian Biechele vor der Schneidemaschine, an der sein Mitarbeiter Sanneh Bakary bis vor Kurzem gearbeitet Bild: Theresa Gnann, ©Theresa Gnann